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Einsamer Wolf, Symbol der Freiheit, und treu ergebener Hund, des Menschen bester Diener. Zwischen diesen tierischen Archetypen fächert sich die Bandbreite des Hundefilms auf. Ungewöhnlich klar positioniert sich Die Abenteuer von Wolfsblut. Doch zieht der Film daraus kritisches Potential? 

Die Abenteuer von Wolfsblut (2018)

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Unterwerfung im Hühnerstall

Nach Alpha 3D (2018) kommt mit Alexandre Espigares‘ Animationsfilm Die Abenteuer von Wolfsblut ein weiterer Film in die Kinos, der eine der älteste Geschichte der Welt erzählen will: die der Freundschaft zwischen Mann und Hund. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Jack London, der zuletzt 1991 Disney als Vorlage diente, zeigt Alexandre Espirgares die Lebensgeschichte eines tapferen, heranwachsenden Wolfs in den Weiten der nordamerikanischen Wildnis. Geplagt von der Nahrungsknappheit in den eiskalten Wintern des Nordens zieht es den kleinen Wolf und seine Mutter immer näher an menschliche Siedlungen heran. Dort wird das Potential des kräftigen Kleinen sofort erkannt und es beginnt ein Leben als treuer Freund und unbezahlte Arbeitskraft. 

Die Abenteuer von Wolfsblut ist das Langfilmdebüt Alexandre Espigares, der bisher vor allem als Animator für Filme wie Happy Feet 2 (2011) und Iron Man 3 (2013) tätig war und mit Laurent Witz für das bezaubernde Kurzfilmdebüt Mr. Hublot (2013) mit dem Oscar für den besten Animationskurzfilm ausgezeichnet wurde. Leider fehlt Die Abenteuer von Wolfsblut die Haptik, die Mr. Hublot auszeichnet. Der Film wirkt blutleer und die an sich schönen Animationen fügen sich nie zu einer Welt zusammen, sondern bleiben oberflächlich und erinnern nicht selten an die Zweidimensionalität einiger klassischer Videospiel-Adventures. Einzig die menschenleere Episode, die das Spiel des kleinen Wolfs im Wald zeigt, schafft es, ein Gefühl von Tiefe zu erzeugen, das allerdings mit dem Wiederauftauchen der menschlichen Protagonisten sofort verschwindet. Dieser Eindruck verstärkt sich noch durch die hölzerne Sprache des Voice Casts. Zwar ist dieser in der Originalvertonung unter anderem mit Nick Offerman, Rashida Jones und Paul Giamatti wunderbar besetzt, doch auch die Schauspieler schaffen es nicht, den Figuren Leben einzuhauchen. 

Zunächst spannend scheint, dass der Film sich gar nicht lange an der Frage nach der berühmtesten aller speziesübergreifenden Freundschaften aufhält, sondern die Beziehung zwischen Mensch und Wolfshund sofort in ein Hierarchiegeflecht einbaut. Der kleine Protagonist ist nicht auf der Suche nach einem Freund, sondern nach einem Herrn, dessen Befehl er uneingeschränkt folgen kann. Konsequenterweise ist es daher auch nicht die Gewalt, die Wolfsblut in der einzigen traumartigen Sequenz des Films fast in den Wahnsinn treibt, sondern das Wissen, dem falschen Herrn zu dienen. Glücklicherweise währt dieser Spuk aber nicht lange, denn schon bald darauf wird das Tier von einem rechtschaffenden Marshall gerettet. Auf dessen lichtdurchfluteter Farm trifft Wolfsblut dann auch auf seine echte Meisterin, Maggie Scott, die Frau des Marshalls, die mit den bewährten Erziehungsmethoden von Erwartung und Enttäuschung die letztgültige Zähmung des Tieres einleitet. In einer in ihrer Freundlichkeit quälenden Prüfung sperrt sie den Wolf in den Hühnerstall mit der Aufgabe, die Hühner nicht zu verspeisen. Dass sich das Tier an ihren Auftrag hält, ist der Akt absoluter Unterwerfung und Verleumdung des eigenen wölfischen Wesens. Irritierend ist, dass der Film zu diesem Verhältnis keine Meinung zu haben scheint. Das Meister-Diener-Verhältnis wird weder emotional als Form der Freundschaft aufgewertet noch in seiner klaren Hierarchisierung kritisiert. Damit hat der Film zwar eine Handlung aber keine Geschichte.

Aus der Zähmung vom Wolf zum Hund lassen sich tolle Erzählungen stricken, an dieser Schnittstelle, an der so verschiedene Attribute wie Freiheit und Loyalität aufeinanderprallen, sind spannende Reflexionen über die Anpassung an gesellschaftliche Gegebenheiten und die Hierarchien des Zusammenlebens möglich. Doch scheint der Film daran nicht interessiert zu sein. Gerade weil sich kaum eine Geschichte so für diese Überlegungen anbietet, irritiert es, dass Die Abenteuer von Wolfsblut sowohl in der Animation als auch in der Narration derart arm an Spannung oder Konflikten ist, die über die eigentliche Handlung hinausreichen würden. 

Die Abenteuer von Wolfsblut (2018)

Basierend auf dem 1906 erschienenen Roman „Wolfsblut“ von Jack London erzählt der Film die Geschichte eines Wolfshundes, der während einer Hungersnot seines Rudels in ein Indianerlager kommt und dort seine Jugend verbringt. Später wird er weiterverkauft und muss grausame Kämpfe gegen Hunde und andere Wildtiere absolvieren, bis er dann doch schließlich an einen Menschen gerät, der es gut mit ihm meint.

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Meinungen

Ruth Gehring · 03.10.2018

Die Kritik von Lucia Wiedergrün ist perfekt; leider sieht sie die Wahrheit, die dieser Film vermitteln will, negativ. Denn es ist doch Fakt, dass unsere angeblich so schöne Welt oberflächlich und blutleer ist. Nur wenn der Wolf er selbst, d.h. - ohne Mensch ist - erscheint in seinem eigenen Spiel seine eigene Tiefe. Er passt sich den gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie den Hierarchien nur scheinbar an, um zu überleben, in seinem Herzen ist immer die Freiheit, die keine Spannung und Konflikte braucht. Das benötigen Menschen, die kein Herz und keine Tiefe haben...