Colossal (2016)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Ein Spiel mit den Erwartungen

Was hat der Angriff eines gigantischen Monsters auf Seoul mit der Sinnkrise im Leben einer alkoholabhängigen New Yorkerin zu tun? Ganz klar: Alles. Zumindest, wenn man Nacho Vigalondos Film Colossal und dessen weltumspannender Allegorie folgen mag. In einer Hommage an das Kaiju-Genre verbindet der Film zwischenmenschliche Abgründe, persönliche Abhängigkeiten und internationale Ausnahmezustände zu einem einzigartigen Gewebe.

Aber von Beginn an: Auf der einen Seite (der Welt) wird die mäßig erfolgreiche und mächtig alkoholkranke Journalistin Gloria (Anne Hathaway) von ihrem Freund (Dan Stevens) nach zu vielen Eskapaden aus der gemeinsamen New Yorker Wohnung geworfen. Zurück in ihrer Heimat-Kleinstadt, um sich selbst und Halt im Leben zu finden, beginnt sie einen Nebenjob bei ihrem alten Schulfreund Oscar (Jason Sudeikis) ausgerechnet in dessen Bar. Auf der anderen Seite, in Korea, taucht täglich zur exakt selben Uhrzeit für ein paar Augenblicke ein echsenhaftes Riesenmonster auf und richtet wahllos Verwüstung an.

Der Film beginnt, zumindest für den mehr oder weniger genrebewanderten Zuschauer, zunächst einmal als amüsantes Spiel mit den Erwartungen an Filme, in denen Städte spontan von Monstern heimgesucht werden. Es ist dabei völlig klar, dass es zwischen der Zerstörung Seouls und der Beziehungs- und Lebenskrise einer jungen Amerikanerin eine bedeutsame Verbindung gibt. Die Verschaltung von Selbstzerstörung, zwischenmenschlicher Krise und desaströser Natur-/Monster-Katastrophe, die der Film anstrebt, geht dabei jedoch den notwendigen Schritt weiter, um nicht in der Schwebe einer bloß post-post-ironischen Genre-Wendung zu verbleiben.


Filmstill aus Colossal von Nacho Vigalondo; Copyright: Brightlight Pictures

Zur richtigen Zeit, als eben jenes Spiel sich zu wiederholen droht, öffnet sich zunehmend eine Tiefe, die auf die mediale Gestaltungsmacht in einer globalisierten Welt und die damit einhergehende Verantwortung verweist. Es geht nicht mehr lediglich um den Spaß, den es bereitet, eine kleine, eigene Drehung in den abgesteckten Genremustern zu vollziehen. Im Verlauf des Films wird es angemessen schwierig gemacht, über Bilder städtischer Zerstörung noch lachen zu können — und so erzwingt Colossal plötzlich eine in diesem Setting unerwartete politische Auseinandersetzung.

Dem Film gelingt damit eine seltene Leistung: Er belässt es nicht bei einer als Film auf Filme verweisenden Spirale, die schon für sich ausreichend Spaß machen würde und berechtigten Szenenapplaus provoziert. Er übersteigt diese sowieso aus der jüngeren Filmgeschichte hinreichend bekannte Struktur und konstruiert ein deutlich komplexeres Geflecht der übereinandergelegten Felder von Zerstörung, Kausalität und Verantwortung. Dass dies mitunter nicht ganz ohne brachialen Pathos und die eine oder andere unnötige Kurve durch verdrängte Kindheiten auskommt, sei Colossal dabei verziehen. Dafür ist er schließlich eine der wenigen post-postmodernen Genre-Melangen, die über den Film hinaus wirksam bleibt.

Colossal (2016)

Das Partygirl Gloria (Anne Hathaway) stolpert nur so durchs Leben, sie schläft den ganzen Tag, um sich jeden Abend zu betrinken. Eines Morgens wacht sie auf und hört von einem riesigen Monster, das Seoul den Erdboden gleichmacht. Obwohl sich Gloria am anderen Ende der Welt befindet, bemerkt sie eine Verbindung mit dem Monster.

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