Coherence

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Der Horror der Existenz

Coherence beginnt wie so viele andere kleine amerikanische Independent-Filme. Eine Gruppe von Freunden trifft sich abends, um miteinander zu essen und zu feiern. Die Handkamera beobachtet das langsame Eintrudeln aller Beteiligten, die Stimmung ist ausgelassen, die Gespräche wirken improvisiert und leichtfüßig. Die kleinen und großen zwischenmenschlichen Dynamiken werden schnell sichtbar. Wer hat mit wem welche Beziehung, wer lästert über die anderen, wem geht es gut und wem nicht? Em (Emily Foxler) ist eine Ballerina, deren Karriere durch einen unklugen Schachzug ihrerseits zurzeit brach liegt. Kevin (Maury Sterling) ist ihr Freund, doch zwischen den beiden kriselt es. Umso schlimmer, dass Laurie (Lauren Maher) ebenfalls zur Dinner-Party eingeladen wurde, ist sie doch Kevins Ex-Freundin und noch immer interessiert an ihm. Mike (Nicolas Brendon), der alkoholkranke Gastgeber, ist ein Schauspieler, der keine Rollen hat und dessen Karriere wohl eher hinter als vor ihm liegt.
Zwischen Geheimnissen und Vorspeisen, Sticheleien und Witzen oszilliert das Geschehen und man erwartet fast einen dialoglastigen Film, der sich vor allem mit sich selbst und den kleinen Problemchen seiner Protagonisten beschäftigt. Doch es gibt eben noch dieses eine kleine Detail – und das ist in diesem Fall ein Komet, der an diesem Abend sehr nah an der Erde vorbeifliegt und der seine Spuren hinterlässt.

Der Komet — er rettet und zerstört gleichzeitig: Seine Errettung gilt dem Film, der ohne ihn alsbald ein langatmig-selbstverliebter und recht generischer Low-Budget-Streifen wäre. Ein Film, dessen Charaktere fast allesamt unsympathisch, egozentrisch und oberflächlich sind und deren Leben und Abendessen schnell in ermüdender Langeweile enden würden. Doch genau in der destruktiven Kraft, in seinem Dasein als wahrhaft kosmische Störung, rettet er den Film, indem er diese Figuren verstört und zerstört. Der Komet verursacht einen Stromausfall. Das Haus ist dunkel, die Telefone funktionieren nicht mehr. Nur ein Haus in der Nachbarschaft hat noch Strom. Zu diesem ziehen einige der Partygäste. Doch als sie wiederkommen, sind sie nicht nur blutig, sondern berichten auch davon, dass sie, als sie in das Haus hineinsahen, eine schreckliche Entdeckung machten, die ihr Verständnis von Freiheit und Einzigartigkeit radikal auf den Kopf stellt. Wie konnte das geschehen?

Wie wunderbar sich hier der Terror von einer Sekunde zur anderen herausbildet: Es ist nicht die Todesangst, die sonst in Horrorfilmen bis aufs letzte Quäntchen getriggert wird. Es ist nicht die Angst ausgelöscht zu werden, die solche Filme sonst beflügelt und den Zuschauer zum Schaudern bringt. Hier ist es vielmehr die Angst vor dem Verlust der Selbstverständlichkeit und des Selbstverständnisses, ein einzigartiges Wesen zu sein. Wer bin ich, wenn ich mehrmals vorhanden bin, wenn ich viele bin? Ein Gutes auch, dass Coherence sich ab hier nicht auf den Weg macht, die verschiedenen Szenarien multipler Existenzen und damit auch multipler Geschichten durchzudeklinieren und „Was wäre wenn?“-Spielchen zu treiben. Nein, hier bleibt sich der Film in seiner Geradlinigkeit treu. Er lässt seine Charaktere unter dem Druck, eingepfercht im Haus zu sein, Mittel und Wege finden, wie sie sich ihre Freiheit und Einzigartigkeit erkämpfen können — zur Not auch mit Gewalt. Auch wenn dabei keineswegs klar ist, ob diese tatsächlich bedroht wird.

Das kleine Budget und die wenigen Möglichkeiten sieht man Coherence zwar an, doch das stört nicht, im Gegenteil. Ein großer Teil des Vergnügens kommt daher, dass man hier geradezu exemplarisch beobachten kann, wie ein Regisseur mit wenigen Mitteln eine Science- Fiction- / Horrorgeschichte zu erzählen versteht. Dieses Unternehmen gelingt ihm überraschend gut und es ist zu vermuten, dass dieser Verzicht auf Spezialeffekte den Film sogar besser macht.

Ein handgemachtes kleines Kammerspiel also, das geschickt mit Urängsten zu spielen vermag und das dabei einen ganz eigenen, wenn auch eher rustikalen Charme versprüht.

Coherence

„Coherence“ beginnt wie so viele andere kleine amerikanische Independent-Filme. Eine Gruppe von Freunden trifft sich abends, um miteinander zu essen und zu feiern. Die Handkamera beobachtet das langsame Eintrudeln aller Beteiligten, die Stimmung ist ausgelassen, die Gespräche wirken improvisiert und leichtfüßig. Die kleinen und großen zwischenmenschlichen Dynamiken werden schnell sichtbar.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen