Censored Voices

Eine Filmkritik von Falk Straub

Das lange Schweigen

Die israelische Öffentlichkeit hat den Sechstagekrieg lange als strahlenden Triumph wahrgenommen. Auch Regisseurin Mor Loushy hörte in der Schule von den Heldentaten der Soldaten. In ihrem Dokumentarfilm Censored Voices kommen nun bislang ungehörte Stimmen zu Wort.
Ein Mann schreitet einen Gang entlang, auf die Kamera zu, die in einem winzigen Raum voller Bücher steht. Langsam schält sich eine Silhouette aus der Dunkelheit. Sie gehört dem Schriftsteller Amos Oz. Er nimmt neben einem Tonbandgerät Platz. Inmitten der niedergeschriebenen Worte wird er gleich seine eigenen hören. Aussagen, die er vor mehr als vier Jahrzehnten getroffen hat. Oz atmet schwer.

Die Aufnahmen sind 1967 kurz nach dem Ende des Sechstagekriegs entstanden. Mit einem Tonbandgerät bewaffnet, besuchte Amos Oz, der damals selbst im Einsatz war, gemeinsam mit Abraham Shapira mehrere Kibuzze, um die siegreichen israelischen Soldaten zu interviewen. Doch was viele von ihnen zu sagen hatten, konnte dem Militär nicht gefallen. Beinahe 50 Jahre hielt es die Gespräche zwischen dem Schriftsteller und seinen Kameraden unter Verschluss. Regisseurin Mor Loushy hat sie zu einem bedrückenden Dokumentarfilm montiert.

Die Tonbänder erzählen eine Geschichte, wie sie jeder Krieg gebiert. Es ist die Geschichte von jungen Männern, die voller Enthusiasmus in den Kampf ziehen, um endlich einen Beitrag zum Gelingen ihrer Nation zu leisten, und die zerrissen zurückkehren. Der Stolz auf das Erreichte, das Gefühl des Triumphs, der Siegestaumel mischen sich mit Schmerz, Schuld und Scham. Die Soldaten berichten von Angst, Verzweiflung und Schockstarre im Angesicht des Feindes, vom Abstumpfen der Gefühle, von der Verrohung der Sprache. Das alles innerhalb nur weniger Tage.

Andere schildern Kriegsverbrechen, die viele innerlich aufwühlten, und zu denen dennoch keiner während des Einsatzes den Mund aufmachte. Wieder andere äußern offene Kritik am Zionismus und an der Evakuierung der Araber, in denen einige ihr eigenes Schicksal im Zweiten Weltkrieg wiedererkennen. Auch hier sind sie zerrissen: zwischen der Verteidigung der eigenen Existenz und der Vertreibung der Verlierer. Strahlende Helden sehen anders aus, hören sich anders an.

Angespannt sitzen die 1967 Interviewten Jahrzehnte später neben dem Tonbandgerät. Loushy bebildert ihre Erinnerungen mit Archivaufnahmen. Was beim Zuhören in ihnen vorgeht, steht auf ihren Gesichtern geschrieben. Erst ganz am Ende werden sie sich dazu äußern. Aber auch hier bleiben ihre Münder verschlossen. Loushy spielt ihre heutigen Ansichten aus dem Off ein, während sie stumm in die Kamera blicken.

Nicht jeder ist noch derselben Meinung. Während Amos Oz bis heute zu seinen Aussagen steht, distanzieren sich andere. Sie bekennen offen, politisch deutlich weiter nach rechts gerückt zu sein als noch vor 50 Jahren. Eine Hoffnung auf Frieden haben sie längst aufgegeben. Und das Publikum fragt sich gemeinsam mit der Regisseurin, ob die israelische Gesellschaft durch eine frühere Veröffentlichung dieser Bänder heute anders aussähe.

Censored Voices

Die israelische Öffentlichkeit hat den Sechstagekrieg lange als strahlenden Triumph wahrgenommen. Auch Regisseurin Mor Loushy hörte in der Schule von den Heldentaten der Soldaten. In ihrem Dokumentarfilm „Censored Voices“ kommen nun bislang ungehörte Stimmen zu Wort.
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