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Zombie-Filme gibt es so zahllos wie ihre untoten Protagonisten: Doch nur wenige nehmen sich die Zeit, persönliche Geschichten ganz abseits von Gruppendynamiken und Gesellschaftsordnungen zu erzählen. Cargo bietet eine berührende Ausnahme.

Cargo (2017)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Verlieren und Behalten

Die Zombie-Apokalypse hinterlässt, wie so oft, eine Welt ohne Struktur, ohne Hilfe und ohne Hoffnung. Yolanda Ramkes und Ben Howlings Debüt-Spielfilm „Cargo“ interessiert sich allerdings weniger als viele andere Filme des Genres für die übliche Gruppe Überlebender und das Aufrechterhalten sozialer Strukturen. Stattdessen richtet der Film seinen Blick auf die Sterbenden und Verlorenen und ihre ausweglose Zeit.

Andy (Martin Freeman) und seine Frau Kay (Susie Porter) sind mit ihrer einjährigen Tochter auf einem Hausboot unterwegs zum letzten Militärstützpunkt, der ihnen Hoffnung auf ein Überleben nach dem Ausbruch einer Zombie-Infektion gibt. Als Kay gebissen wird und die Suche nach Hilfe an Land scheitert, muss Andy mit der kleinen Rosie allein weiterziehen. Doch Andys Zeit ist begrenzt – denn auch er wurde gebissen und ihm bleiben nur 48 Stunden bis zum unwiderruflichen Ausbruch der Krankheit.

Cargo ist von einer anderen Zeit durchzogen als viele Filme des Genres: Es ist nicht die Aussicht auf eine ferne Zukunft, auf das Überleben der Spezies oder die Instandsetzung einer neuen Gesellschaft – es ist der wiederkehrende Blick auf einen Countdown am Armband. Zwischen Biss und Verwandlung in einen Zombie vergehen 48 Stunden und im Notfall-Paket für den Fall einer Infektion liegt zuerst ein Armband-Countdown bereit. Denn es ist nicht die Frage, ob Heilung gefunden werden kann, oder ob es eine Zeit nach den Zombies gibt – es ist nur die Frage, wie Andy die letzten 48 Stunden als Mensch mit seiner Tochter verbringt.

Dem Blick auf das Armband steht eine zweite Geste gegenüber, die zwischen den Orten und Bewegungen des Films vermittelt: Das Auf- und Absetzen des Baby-Rucksacks, wann immer Andy sich aufmacht, Menschen trifft und kurz verweilt, nur um dann wieder aufbrechen zu müssen, während Rosie verwirrt und verstört ihre Umwelt aus dem Sitz im Rucksack beobachtet. Auf der einen Seite steht so der unabwendbare Verlust, das Zerrinnen der Zeit, die bereits abgezählt ist – auf der anderen das Klammern an die eigene Tochter, an eine Zukunft jenseits des Films und jenseits der verlorenen Ordnung.

Die einzigen Überlebenden, denen Andy im post-apokalyptischen Australien begegnet, sind dabei entweder Rassisten oder eingeborene Australier, die sich mit Speeren bewaffnet auf die Jagd nach den Zombies machen. Nur Thoomi (Simone Landers) hält ihren zum Zombie verwandelten Vater abgeschieden von der Jagd-Gruppe versteckt, bevor auch sie sich unweigerlich dem Verlust stellen muss. Vor allem die enge Konzentration auf zwei gegenläufig erzählte Vater-Tochter-Beziehungen, verleiht Cargo eine große emotionale Dichte: Es spielt keine Rolle, woher die Krankheit kommt, was danach geschehen wird, oder welche Überlebensstrategien möglich sind. Es geht einzig um Konstellationen des Verlierens, nicht um Flucht und Neuanfänge, sondern um die Ausweglosigkeit, mit der die Figuren konfrontiert sind.

So berührend die strenge Form von Cargo damit auch ist, fehlen dem Film doch in den gesellschaftlichen und politischen Feldern, die er anspricht, klarere Konturen: Der Rassismus, der in wenigen, aber deutlichen Bildern auftaucht und der im Setting der Post-Apokalypse höchst aktuelle Fragen hätte verhandeln können, verläuft sich stattdessen in einem allzu leichten Freundschafts-Pathos zwischen Andy und Thoomi. Auch die Familien-Bilder, für deren klassische Einführung sich Cargo viel Zeit lässt, um sie dann zu zerreißen, spielen nur als Bezugspunkt für den Verlust des bisschen Stabilität, die sie gewähren, eine Rolle, können dem Film aber keine weiteren Gedanken entlocken.

Gerade weil Cargo so konzentriert erzählt und eine so strenge zeitliche Struktur durchhält, ist es bedauerlich, dass er so viele Ideen zugunsten einer einzigen emotionalen Kurve zurücklässt, die schließlich nicht ganz über die Laufzeit des Films allein tragen kann. Im grandiosen Spiel von Martin Freeman und in der dichten Inszenierung einer ausweglosen Zeit bietet Cargo jedoch einen wunderbar zurückgenommenen und berührenden Beitrag zum Genre.

Cargo (2017)

Im Jahr 2013 wurde der von Yolanda Ramke und Ben Howling gedrehte siebenminütige Kurzfilm „Cargo“ zu einem regelrechten Internet-Phänomen. Nun folgt die Langfassung mit Martin Freeman als verzweifelten Vater, der versucht, seine Tochter vor einer Zombie-Apokalypse zu retten — und zwar noch bevor das Virus bei ihm selbst ausbricht.

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