Capote (2005)

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Die fabelhafte One-Man-Show des Philip Seymour Hoffman

Philip Seymour Hoffman ist einer dieser Schauspieler, die es auf den ersten, hollywoodverklärten Blick nie wirklich geschafft haben. Zu sehen war der 39-Jährige schon in zahllosen Filmen und Theaterinszenierungen. Ob in Magnolia, Der talentierte Mr. Ripley, Boogie Nights oder Almost Famous – der Ausnahmeschauspieler war immer Teil eines großartigen Ensembles und dabei sympathisch unauffällig. Hoffman war abonniert auf die farblosen Verlierer der Gesellschaft. Wenn ein Schauspieler wie er, herausragend in allen noch so kleinen Rollen, plötzlich den Schritt in die erste Reihe schafft, ist das mehr als ein Grund zur Freude. Hoffman ist ein Mann vom Fach, der neben jahrelanger Erfahrung eine unglaubliche Charakterpräsenz und Glaubwürdigkeit in seine Rollen legt.

Überzeugungskraft ist das zentrale Motiv. Hoffman spielt nicht, Hoffman ist Truman Capote, der in den USA der 60er Jahre mit seinem Bucherfolg „Kaltblütig“ ein Phänomen auf den Markt geworfen und die Bedeutung der Non-Fiktion Literatur maßgeblich beeinflusst hat. Anfänglich möchte man fast glauben, dass die 114 Filmminuten wieder ein Leben erzählen. Eine inhaltliche Orientierung, die in den letzten Kinomonaten die Leinwände überschwemmt hat: Ray, Kinsey, Ali oder die Johnny Cash Biografie Walk The Line — allesamt erzählten sie die Geschichte eines großen Mannes. Zum Teil leidvoll, manchmal wertvoll.

Der Film Capote ist anders. Klassisch, aber doch modern. Nachdenklich, dabei gleichzeitig heiter. Vor allem aber fesselnd und beeindruckend. Vom wahren Verlauf der Geschehnisse inspiriert erzählt Regisseur Bennett Miller (The Cruise) die Geschichte des amerikanischen Erfolgsautoren Truman Capote. November 1959: Nach dem Erfolg seines Romans Frühstück bei Tiffany liegen ihm die New Yorker Literaturszene und die schillernde Oberschicht zu Füßen. Truman, ein schüchterner und unauffälliger Schriftsteller Anfang 40, aalt sich in seinem Erfolg. Ein bisschen untersetzt ist er, seine apathisch dreinblickenden Augen und die akkurate Erscheinung machen ihn außergewöhnlich. In dieser Welt dagegen zählen andere Merkmale und Fähigkeiten. Ein paar Gläser Alkohol und der schüchterne Truman wird zum Multiplikator des Amüsements auf elitären Partys. Der Artikel eines Kollegen in der New York Times fesselt Capote. Eine vierköpfige Familie ist in Kansas kaltblütig und auf brutalste Weise umgebracht worden. Ein Aufsehen erregender Mordfall, dessen Verlauf und Aufklärung Trumans nächster großer Artikel in der Times werden soll. Zusammen mit seiner Freundin und künstlerischen Muse Harper Lee macht er sich auf den Weg in die Provinz, wo das Verbrechen seinen Lauf nahm. Im amerikanischen Hinterland reagieren die Menschen verhalten auf den Gast. Zu fremd ist der blonde Exzentriker mit seinen auffälligen Manieren und ungewöhnlichem Äußeren.

Während Trumans Recherchen nimmt die Polizei zwei Tatverdächtige fest, die sich wenig später auch als Täter zu erkennen geben: Perry Smith und Dick Hickock. Spontan beschließt der immer mehr faszinierte Capote den Artikel auf ein ganzes Buch auszuweiten und die Geschichte des Mordes und der beiden Täter in einem Roman zu erzählen. Ein Buch über die wahren Geschehnisse soll Capote in der Literaturwelt unsterblich machen. Im Laufe der Zeit wird der Schriftsteller immer weiter in den Bann des Falles gezogen, der zur Obsession wird. Dabei kommt Perry Smith, ein überaus intelligenter und kaltherziger Einwanderersohn, Capote näher als dieser zugibt. Die beiden beginnen ein verwirrendes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem am Ende nicht mehr erkennbar ist, wer am längeren Hebel sitzt. In langen Gesprächen in der Gefängniszelle drängt Capote auf die wahre Geschichte mit allen Hintergründen und Einzelheiten, während Smith den Schriftsteller immer wieder hinhält und mit Briefen füttert. Am Ende der Arbeit steht Capotes Roman „Kaltblütig“, ein wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen. Doch der Weg dahin ist lang und steinig. Zwar hat er Capote Ruhm, Geld und Respekt eingebracht, doch auch sein Leben nachhaltig verändert.

Spätestens mit seiner Rolle als schillernder Literat Truman Capote ist Philip Seymour Hoffman in die erste Riege der Charakterschauspieler aufgestiegen. Er reiht sich ein in eine kleine Gruppe von Mimen, die echte Charaktere sind und auch schwierige Figuren umsetzen können. Schauspieler, die nicht dem schnellen Ruhm erlegen und einer billigen Rolle auf den Leim gegangen sind. Capote ist ein filmisches Highlight des jungen Kinojahres und eine Hommage an den 1984 verstorbenen Literaten. Hoffman ein mehr als ein Glücksfall für den Film. Er wurde, neben dem Film selbst, erst kürzlich für den Oscar nominiert und ist, zu Recht, ein ganz heißer Kandidat!
 

Capote (2005)

Philip Seymour Hoffman ist einer dieser Schauspieler, die es auf den ersten, hollywoodverklärten Blick nie wirklich geschafft haben. Zu sehen war der 39-Jährige schon in zahllosen Filmen und Theaterinszenierungen.

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Meinungen

· 17.03.2006

Dann gibts halt das Remake oder zunächst ein Sequel ? :-)))

Melisdera · 17.03.2006

Die Amerikaner haben bald keinen mehr, dessen Leben sie verfilmen können. Aber gut, gut, weiter so.

Oliver Brosmann · 08.03.2006

Bester Film des Jahres bis jetzt. Hoffmans Spiel setzt neue Maßstäbe, auch die Restbesetzung ist grandios. Feinstes Spiel in einer sehr komplexen Story. Wer sehen will, wie man leise spielt und damit viel bewegen kann: rein!