California City

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Die moderne Endzeit

Menschen kaufen Dinge, die sie nicht brauchen, die ihnen aber ein momentanes Glücksgefühl verschaffen. Konsum überdeckt die unglücklichen Beziehungen. Ein System, das funktioniert, solange Geld da ist. Aber in California City ist es nicht mehr da – ebenso wenig wie die Menschen, die einst dort lebten.
Im Jahr 2009 besuchte Bastian Günther California City, eine künstlich aus dem Boden gestampfte Stadt in der Mojave-Wüste. Es hätte die größte aller amerikanischen Städte werden sollen, im Zuge des Immobilien-Booms wurde ein Fertighaus nach dem anderen aus dem Boden gestampft. Doch dann platzte die Blase und die Realität holte die Menschen, die dort ihr Leben geplant hatten, wieder ein.

California City ist ungewöhnlich, weniger einer narrativen Handlung folgend, als vielmehr eine Art filmischer Essay. Eine Mixtur aus Spiel- und Dokumentarfilm, die Günther nutzt, um über Verlust zu meditieren. Im Mittelpunkt seiner Geschichte steht ein namenloser Mann. Sein Job ist es, die Swimmingpools der verlassenen Stadt vor Moskitoplagen zu bewahren. Eine sinnlose Arbeit, werden in diesen Pools und den dazugehörigen Häusern doch nie wieder Menschen zu sehen sein. California City ist eine Geisterstadt, isoliert von der Welt, mit nur noch wenigen Einwohnern, die wie Schatten erscheinen. Eine flüchtige Existenz weit jenseits aller Greifbarkeit.

Es sind Bilder einer desolaten Welt, die Günther hier zeigt, die Überreste eines Systems, das sich selbst verschlingt. California City fühlt sich wie ein Endzeitfilm an. Die Zivilisation hat ihren Endpunkt erreicht, durchwandert von einem einsamen Mann, dem die Isolation immer mehr zusetzt. Die Leere des Ortes spiegelt seine eigene, innere Leere wider. Er erinnert sich an die Liebe, die er verloren hat, an die einzige Frau, die ihn vor diesem Moloch hätte befreien können, doch stattdessen muss der Namenlose weiterhin seinem unnützen Job nachgehen. Sein Weg muss jedoch aus dieser Stadt der Toten herausführen, er muss zurück in die Zivilisation, in das System, das Orte des Scheiterns wie diesen überhaupt erst hervorgebracht hat.

Die Depression der Hauptfigur spiegelt die globale Krise wider, jene verhängnisvolle Entwicklung, wenn das Leben unter den Füßen fortgerissen wird und nichts mehr ist, wie man es mal kannte. California City könnte man auch als Kapitalismuskritik verstehen, zeigt er doch mit schmerzhaften Bildern, was passiert, wenn das System aus dem Lot gerät, wenn Gier übernimmt und damit einhergehend Lebensläufe vernichtet werden. All die leeren Häuser, sie zeugen von Leben, deren Strang gekappt wurde, die nun anders verlaufen müssen. Wahrscheinlich schlechter, vielleicht besser? Man vermag es nicht zu sagen. Was bleibt, ist ein desolater Blick auf das Scheitern, auf einen verlassenen Ort, den man gerne zurücklässt, wenn man das Kino verlässt. Doch die Erinnerung daran kann man nicht so leicht abstreifen.

California City

Menschen kaufen Dinge, die sie nicht brauchen, die ihnen aber ein momentanes Glücksgefühl verschaffen. Konsum überdeckt die unglücklichen Beziehungen. Ein System, das funktioniert, solange Geld da ist. Aber in „California City“ ist es nicht mehr da – ebenso wenig wie die Menschen, die einst dort lebten.
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Meinungen

Anna · 25.08.2015

Ehrlich gesagt ... ein bischen enttäuscht war ich schon. Die verlassenen Häuser in der Wüste, der geradezu absurde Job des namenslosen Mannes usw. Das steckt eigentlich schon genug Material drin, um einen Film über gescheiterte Träume und die Absurditäten des Kapitalismus zu machen. Für mein Empfinden haben die Erinnerungen des Namenlosen an sein gescheiterte Beziehung mit Chelsea den Film inhaltlich (nun ja) "verwässert".

Das gemächliche Erzähltempo, gelungene Aufnahmen von der Geisterstadt ... das war sehr entspannend (andere würde vielleichtb "langweilig!" einwerfen), fast schon meditativ. Aber letzlich: Weniger Kunst, stärkere inhaltliche Fokussierung ... das wär's gewesen.