Bye Bye Berlusconi

Eine bitterböse Polit-Satire

Unter den Staatsmännern, deren Wirken einer filmischen Aufarbeitung bedarf, ist Silvio Berlusconi, Italiens Noch-Ministerpräsident sicherlich derjenige, der sich die Beschäftigung mit seinem Wirken am meisten „verdient“ hat – durch äußerst fragwürdige Geschäfte, ein Medien- und Meinungsmonopol sowie peinliche Skandale und Fehltritte. Nun scheint der Stern des bis zum Erbrechen jovialen Staatsmannes zu sinken, allenthalben tritt der Widerstand gegen die Politik Berlusconis offen zu Tage und selbst im italienischen Fernsehen lassen sich satirische bis bissige Beiträge gegen den Medienunternehmer und Politiker nicht länger verhindern. Da im April auch die Wieder- oder Abwahl des italienischen Ministerpräsidenten auf der politischen Agenda steht, kommt ein Film in die deutschen Kinos, der vorzeitig bereits den Abschied des Medienmoguls feiert – Bye Bye Berlusconi von Jan Hendrik Stahlberg.
Die Handlung ist ein wenig verwirrend, weil sie auf mehreren Erzählebenen spielt und diese auch wie ein Zauberkünstler munter durcheinander mischt: Da ist zum einen eine italienische Filmcrew, die einen Spielfilm über den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi drehen will, der entführt werden soll, um endlich für seine Fehltritte und Vergehen vor ein Gericht gestellt zu werden. Doch das Projekt droht daran zu scheitern, dass der allgewaltige Herr über die Medien Italiens den Film jederzeit stoppen lassen kann, sobald auch nur sein Name darin fällt. Also entschließt sich die Crew dazu, den Politiker (täuschend ähnlich dargestellt vom römischen Schuhverkäufer und Berlusconi-Double Maurizio Antonini) in Mickey Louse umzubenennen und die Handlung passend nach Entenhausen zu verlegen. Trotzdem sieht sich die Filmtruppe massivem Widerstand ausgesetzt, so dass die Fertigstellung des Films mehr und mehr in Frage gestellt wird…

Trotz aller guten Absichten: Ganz ernst nehmen kann man den Film leider nicht – viele der Einfälle des Regisseurs und Autors Jan Hendrik Stahlberg lassen eher an pubertäre Späße denn an eine ernsthafte Auseinandersetzung denken. In italo-deutschen Kreisen wird der Film sicherlich sein Publikum finden, ob sich aber „Otto Normalmichel“ für die Ereignisse in Italien interessiert, sei dahin gestellt – so lange die Pizza und der Wein gut schmecken. Dabei hat der Film durchaus einiges zu bieten, besonders in seiner bis auf die Spitze getriebenen Aufhebung des Unterschieds zwischen Realität, Dokumentation und Fiktion. Allerdings ist es auch genau dieser Metadiskurs über das Medium Film an sich, der dem Kinozuschauer die Orientierung schwer macht, zumal kaum jemand mit den Feinheiten der italienischen Politik vertraut sein dürfte.

Irgendwie ist es schade, dass Stahlbergs neuer Film so wenig mit bundesdeutschen Befindlichkeiten zu tun hat. Auch wenn Muxmäuschenstill als Film durchaus kontrovers aufgenommen wurde, hatte man wenigstens das Gefühl, dass hier (endlich einmal wieder) Filmemacher einen genauen und politisch provokanten Blick auf die deutsche Gesellschaft werfen. Zur Zeit fehlen aber genau diese deutschen Filme, die sich nicht an der west- oder ost- oder gesamtdeutschen Vergangenheit abarbeiten, sondern die auch mal einen Blick auf das Hier und Jetzt werfen. So droht nun alles im Kuschelkurs der großen Koalition und im Banne der Super-Angie einzuschlafen. Die Revolution findet nicht statt, aber dafür gibt’s ja eine Fußball-WM…

Bye Bye Berlusconi ist zu disparat, um wirklich zu überzeugen, aber wegen seines Wagemuts, sich abseits wohl bekannter Pfade zu bewegen, lohnt er sich allemal.

Bye Bye Berlusconi

Unter den Staatsmännern, deren Wirken einer filmischen Aufarbeitung bedarf, ist Silvio Berlusconi, Italiens Noch-Ministerpräsident sicherlich derjenige, der sich die Beschäftigung mit seinem Wirken am meisten „verdient“ hat.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Giovanni · 06.08.2006

Fand den Film als Italiener nicht so doll.

Ausserdem, wenn der Film in Italien nicht gezeigt wird, heißt es nicht, dass es in Italien Zensur gibt (Filme von Nanni Moretti werden gezeigt), sondern, dass es einfach ein schlecht gemachter Film ist, indem die Fiktion fälschlicherweise als Realität dargestellt wird. Ach und übrigens, wenn es wirklich nur alles Idealismus ist, wieso bietet Jetfilm den Film in Italien nicht zum kostenlosen Download an?

ChillBill · 05.04.2006

weis jemd wann denn der film auf dvd zu haben ist? wohne z.Z. in Südtirol/Italien.... die leut hier MÜSSEN ihn einfach sehen *g*

Alex · 31.03.2006

cooler Film, war echt lustig, die Aehnlichkeit des Schauspielers mit dem echten Berlusconi ist verblüffend!

Lilalaunebär · 10.03.2006

Ich denke auch das die Deutschen sich nicht nur mit der eigenen Politik beschäftigen sollten. Habe den Film zwar nicht gesehen, aber er hört sich interessant an. Werde mal gucken ob der in Essen läuft.

@Gast · 06.03.2006

Im ÖPrinzip geb ich dir ja Recht. Aber:Es geht in der Kritik nicht darum, dass Berlusconi die Deutschen nichts anginge, sondern darum, dass das Thema unter Umständen einefach weniger Menschen interessiert. Außerdem ist Berlusconi ein Auslaufmodell, der bald nur noch eine Fußnote der Geschichte sein wird. Der Film ist meiner Meinung nach (hab ihn mit Spannung in Berlin gesehen und war enttäuscht) zu nah dran an der Person Berlusconi und zu weit weg von der allgemeinen Politik was ihm leider die Schärfe nimmt.

· 06.03.2006

Sicher ist es gut, wenn ein Film wie z.B. Muxmäuschenstill deutsche Befindlichkeiten genau aufspürt. Aber nur weil viele Deutsche evtl. nicht mit den Feinheiten der italienischen Politik vertraut sind, ist es doch dann erst recht wichtig, sie darauf aufmerksam zu machen. Ich denke nicht, dass Berlusconi die Deutschen nichts angeht.