Blood Father

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Vater sieht rot

Er ist eine verlorene Seele. Das steht nicht nur als Tattoo auf seinem mächtigen Oberarm eingeschrieben, sondern das sieht man ihm auch an. John Link (Mel Gibson) hat es verkackt, hat sein Leben in den Sand gesetzt, war lange Jahre im Knast und noch länger hing er an der Flasche. Nun ist er auf Bewährung draußen, seit zwei Jahren trocken und doch bekommt er sein Leben nur mühevoll wieder auf die Reihe. Allein die wöchentlichen Besuche bei den Anonymen Alkoholikern und die liebevoll-raubeinige Zuwendung seines „Sponsors“ Curby (William H. Macy) halten ihn davon ab, erneut abzurutschen in den Sumpf aus Alkohol und Gewalt, dem er gerade erst entronnen ist. Doch es ist nicht nur sein verpfuschtes Leben, das ihm zu schaffen macht, sondern auch die Tatsache, dass seine Tochter Lydia, die bei seiner Ex-Frau lebte, vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist. Und so ist es mindestens doppelsinnig, wenn John Link sich mit dem Namen seines kleines Tattoo-Studios am Telefon meldet, das er in dem Trailer, in dem er am Rande der Wüste irgendwo in den Südstaaten der USA lebt: „The Missing Link“.
Dann eines Tages wie aus heiterem Himmel ruft seine Tochter wieder an und bittet ihn um Hilfe. Sie hat sich mit den falschen Leuten eingelassen, einer Drogenbande aus Mexiko, die gegen den Willen des Paten eigene schmutzige Deals durchgezogen hat, Als Lydia dazu gezwungen werden sollte, eine unschuldige Frau umzubringen, hat sie Jonah, den Boss der Gangster, niedergeschossen und befindet sich seitdem auf der Flucht. Also muss Daddy nun ran und versucht die verzwickte Angelegenheit mit Hilfe seiner alten Unterweltkontakte und ohne Verstoß gegen die Bewährungsauflagen zu regeln. Allerdings muss er schnell feststellen, dass die Typen, die hinter seiner verlorenen Tochter her sind, ziemlich gefährlich sind …

Väter, die um ihre Familien bzw. Töchter kämpfen, sind ein beliebter Topos im Actionkino der vergangenen Jahre — Liam Neeson kann davon mehr als nur eine Oper singen. Und wenn man es recht betrachtet, begann ja auch Mel Gibsons Karriere in Mad Max genau so. Dass Neeson und der australische Action-Haudegen dabei eigentlich recht alte Väter sind, wird dabei durch jede Menge Adrenalin, Blei und Blut wettzumachen versucht. Was 96 Hours / Taken von Blood Father unterscheidet, ist freilich die spezifische Familiensituation. Denn im Vergleich zu diesem John Link kann sich Neesons Bryan Mills vergleichsweise glücklich schätzen, wenngleich dies bedeutet, dass dessen Fallhöhe um einiges höher ist als dies in Blood Father der Fall ist. John Link ist ein Überlebender, der bereits alles verloren hat. Als seine Tochter, die er kaum kennt, ihn unvermutet kontaktiert, vegetiert er eher dahin, als dass er wirklich noch ein Ziel im Leben hat. Dies ergibt sich erst, als Lydia vor ihm steht. Nun hat er die Chance, vielleicht ansatzweise etwas wiedergutzumachen, was er früher aufgrund seines Alkoholproblems und seines Knastaufenthaltes versäumt hatte. Dabei muss er schnell lernen — zum Teil in Sekundenbruchteilen, wenn er immer wieder in Situationen gerät, bei denen schnelles Handeln und instinktive Entschlüsse gefragt sind -, dass sich der bedingungslose Kampf ums Überleben mit seinen Bewährungsauflagen nicht unter einen Hut bringen lässt. Hat er das akzeptiert, wird dem Zuschauer schnell klar, dass der Weg, auf dem er sich befindet, einer ohne Wiederkehr sein wird.

Dennoch ist Blood Father nicht nur ein grimmiges Action-Drama, sondern weist immer wieder kurze, blitzlichtartige Momente von Humor und Harmonie auf, in denen Lydia und John mit all den Problemen zu kämpfen haben, denen sich Väter und Töchter während der Pubertät und des damit verbundenen Abnabelungsprozesses ausgesetzt sehen. Dass John Link ausgerechnet dem verabscheuungswürdigen Liebhaber und Verführer seiner Tochter den Arsch aufreißt, passt dann allen Sperrigkeiten zum Trotz bestens in ein erzkonservatives Familienbild, das sich gerade in den USA großer Beliebtheit erfreut.

Von solchen Untertönen einmal abgesehen, ist Blood Father beileibe kein Meisterwerk, aber gute, solide inszenierte und für Mel Gibson nahezu maßgeschneiderte Action-Kost, die als DVD-Veröffentlichung genau den Verbreitungskanal gefunden hat, den sie verdient.

Blood Father

Er ist eine verlorene Seele. Das steht nicht nur als Tattoo auf seinem mächtigen Oberarm eingeschrieben, sondern das sieht man ihm auch an. John Link (Mel Gibson) hat es verkackt, hat sein Leben in den Sand gesetzt, war lange Jahre im Knast und noch länger hing er an der Flasche. Nun ist er auf Bewährung draußen, seit zwei Jahren trocken und doch bekommt er sein Leben nur mühevoll wieder auf die Reihe.
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Meinungen

Martin Zopick · 24.01.2021

Ein kleiner Film über eine Vater–Tochter Problematik. John (Mel Gibson), ein Ex-Sträfling lebt in einen Wohnwagen in der Wüste. Seit Jahren ist er trocken und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Tätowierer. Da taucht seine leibliche Tochter Lydia (Erin Moriarty) auf. Sie wird von einer Killergang verfolgt. Vater John muss Lydia helfen. Nach abenteuerlicher Flucht werden beide geschnappt. In den Gesprächen werden die Unterschiede der beiden klar, aber auch was sie verbindet. John macht die Erfahrung, dass seine Freunde von früher nicht bereit sind ihm zu helfen. Lydia erkennt, dass ihr Vater ihr einziger Freund ist. Bei einer Schießerei kommt John um, Lydia trifft sich mit ihrer leiblichen Mutter und macht sich auf in ein eigenständiges Leben. Die Begegnungen Mutter – Tochter findet in einer sonderbar intim-distanzierten Atmo statt, die von Mutters Seite keine Nähe zulässt. Ganz anders der Vater, der immer von seiner Kleinen redet.
Mel und Erin agieren wunderbar gegen und miteinander: er hat das Leben hinter sich, sie noch vor sich. Er ist der einzige Mensch, der Lydia helfen kann und übernimmt Vaterpflichten, die er nie gewollt hatte. Neben den Auseinandersetzungen der Generationen ist hier der unsentimentale Schluss das Gelungenste an diesem Film.