Black Out - Anatomie einer Leidenschaft

Eine Filmkritik von Martin Beck

Schlechtes Timing

Nur ein paar Minuten später oder früher, dann wäre alles wahrscheinlich ganz anders gekommen. Das schlechte Timing in Black Out bezieht sich auf das erste Treffen zwischen Milena Flaherty (Theresa Russell) und Alex (Art Garfunkel), einem Psychiater. Wenn sie sich nicht zufällig auf einer Party in Wien begegnet wären, hätte die darauf folgende obsessive Liebesgeschichte wohl nie stattgefunden. Das Gleiche gilt für ihren Krankenhausaufenthalt aufgrund eines missglückten Selbstmordversuchs, der nicht nur den Film eröffnet, sondern auch einen ambitionierten Detektiv namens Netusil (Harvey Keitel) auf den Plan ruft.
Schlechtes Timing, auf jeden Fall, und als Folge daraus ein verschachtelter Psychothriller, dessen fahrige, fragmentarische Beziehung Regisseur Nicolas Roeg auf formaler Ebene gleich nochmal erzählt. Black Out mutet vor allem zu Beginn wie ein vertracktes Puzzle an, das ständig zwischen Zeiten, Personen und Perspektiven wechselt und so die im Grunde relativ einfache Geschichte zu einem mitunter frustrierenden Ratespiel macht. Roeg wollte die Zerrissenheit der beiden Personen unterstreichen. Die Entfremdung des Zuschauers wird dabei billigend in Kauf genommen.

Die Folge daraus ist, dass Black Out anstrengend wirkt, dass Geduld erforderlich ist. Erst mit fortgeschrittener Laufzeit wird klar, dass die Inkohärenz der Erzählung der eigentliche Sinnzusammenhang ist. Eine Liebe, eine Beziehung kann nach allen Seiten ausbrechen und ein so ungestümes Eigenleben entwickeln, dass eine normale inhaltliche Wiedergabe ihr nicht mehr gerecht wird. Nichts ist hier einfach, alles folgt einem Sog aus Leidenschaft und fataler Exzessivität. Die dabei entwickelte Eigendynamik ist ein weiterer Grund für die verschachtelte, nur schwer zu greifende Herangehensweise des Regisseurs.

Nicolas Roeg macht hier (nicht zum ersten Mal) den Eindruck, als wäre ihm sein filmisches Konzept wichtiger als die Bindung zum Zuschauer. Ohne Frage war der Mann ein großer Regisseur, doch hier verströmt er eine kühle Distanz, die zugleich Teil der angestrebten Wirkung ist und ihre wahre Wirkung überhaupt nicht entfalten kann. Als Gegenbeispiel kann Michael Manns Der Einzelgänger angeführt werden, dessen Thema Kälte und Einsamkeit ist – was durch intime Nähe vermittelt wird. Hätte Roeg den Film inszeniert, wäre wahrscheinlich zähes Aussitzen angesagt gewesen, immer schön auf Distanz zur zentralen Figur, eine schemenhafte, kühle Skizze.

Mutig? Ja. Konsequent? Ja – aber genauso eben auch schwieriger als es die Geschichte und das Thema eigentlich erfordern. Black Out kämpft ein bisschen gegen sich selbst und kann dabei glücklicherweise drei exzellente Hauptdarsteller aufbieten, die den Ambitionen des Regisseurs angenehme Bodenhaftung verleihen. Art Garfunkel punktet dabei durch seine unkonventionelle Erscheinung, Theresa Russell ist genauso ungestüm und emotional wie man es vermuten darf und Harvey Keitel bringt seine gottgegebene Klasse mit – was auch sonst? Sehr schön ist weiterhin, dass die Schauwerte von Wien ausgiebig genutzt und gerade bei den Nachtszenen einen eigenen Kommentar zum Geschehen abgeben können.

Man muss bei Black Out einfach einen langen Atmen mitbringen, dann fallen schon irgendwann die Teile an die richtige Stelle. Die Intensität des Stoffes ist spürbar, doch trotzdem wäre hier mit einer etwas koventionelleren, weniger kopflastigen Herangehensweise noch wesentlich mehr drin gewesen. Die Blu-Ray von Koch-Media bietet gute, aber nicht sehr gute Bild- und Tonqualität. An Extras gibt es 17 Minuten „deleted scenes“, die auf weiteren Veröffentlichungen anwesenden Interviews mit Nicolas Roeg und (Produzent) Jeremy Thomas fehlen leider.

Black Out - Anatomie einer Leidenschaft

Nur ein paar Minuten später oder früher, dann wäre alles wahrscheinlich ganz anders gekommen. Das schlechte Timing in Blackout bezieht sich auf das erste Treffen zwischen Milena Flaherty (Theresa Russell) und Alex (Art Garfunkel), einem Psychiater. Wenn sie sich nicht zufällig auf einer Party in Wien begegnet wären, hätte die darauf folgende obsessive Liebesgeschichte wohl nie stattgefunden.
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