Beti und Amare

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Das Mädchen, der Krieg und der kosmische Vampir

Ein historischer und zugleich ein Science-Fiction-Film, der in Äthiopien spielt und mit einem Budget von 14.000 Euro produziert wurde: Beti und Amare, das Langfilmdebüt des Deutschen Andy Siege, ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Werk. Die Geschichte taucht ins Jahr 1936 ein, als Mussolini seinen Abessinienkrieg führt. Eine junge Frau namens Beti (Hiwot Asres), die in einer von italienischen Truppen besetzten Stadt Schlimmes erlebt hat, sucht Zuflucht bei ihrem Großvater (Atrsaw Wisenbet) in der Wüste. Aber schon beim ersten Mal, als sie zum Wasserholen durch die Einöde geht, begegnen ihr drei junge afrikanische Milizionäre, die offen mit dem Gedanken spielen, ihr Gewalt anzutun.
Beti bleibt allein in der Lehmhütte zurück, denn der Großvater muss in die Stadt, um ein neues Haustier zu kaufen. Über Einsamkeit kann sie sich nicht beklagen: Die drei Milizionäre kommen wieder, denn einer von ihnen will sie heiraten, und aus der Wüste taumelt ein italienischer Soldat (Andy Siege) in ihre Hütte. Aber Beti hat einen Freund mit Vampirzähnen, der an der Wasserstelle aus einem kosmischen Ei schlüpfte. Sie hat den unbeholfenen Fremdling, der nicht spricht, Amare (Pascal Dawson) genannt. Unschlüssig, ob er ein Gesandter der Hölle oder des Himmels ist, entscheidet sie sich für die zweite Variante.

Ob die erzählte Reihenfolge der Ereignisse auch die richtige ist, ob Teile der Realität nicht nur als Traumfetzen auftauchen und an welchen Stellen die Fantasie etwas überdeckt – mit solchen Fragen konfrontiert die dramatische Schnitzeljagd ihre Zuschauer. Betis Wirklichkeit ist erdrückend, aber sie pflückt sich an der Wasserstelle eine rote Blume und steckt sie sich ins Haar. Der Einbruch des Surrealen kann ein Geschenk des Himmels sein, den Geist auf eine grüne Oase lenken und ihm Freiheit ermöglichen. Die Rolle des Vampirs erinnert insofern ein wenig an den in einer iranischen Geisterstadt spielenden A Girl Walks Home Alone at Night von Ana Lily Amirpour: Auch dort ging es um eine junge Frau, die es leid war, in Unfreiheit zu leben, und die sich an gewalttätigen Männern rächte. Und wie dort gibt es auch hier eine zarte Romanze, eine Beziehung zwischen Mann und Frau, die von Zuneigung und Achtung geprägt ist.

Beti und Amare verfügt aber über eine unnachahmliche eigene Handschrift, in der sich afrikanische Erzählmuster und eher an westliche Science-Fiction-Filme erinnernde Weltall-Bilder mit Sternenexplosionen und einem Riesenmond begegnen. Beti träumt und sieht Dinge voraus, deutet Zeichen, ihre Wahrnehmung wechselt zwischen Außen- und Innenwelt, verwischt deren Trennlinie. Vom Himmel über dem Kriegsschauplatz fällt ein Flugzeugteil, Detonationen von Senfgasfässern sind zu hören. Die Aliens aus dem fremden, unheimlichen Universum bringen Großvaters Ziege und den wilden Kaninchen den Tod. Als betrachte die Kamera die Welt mit Betis Augen, wechseln die Aufnahmen während des ganzen Films in freier, rascher Folge zwischen Farbe und Schwarz-Weiß. Die Traumsequenzen sind oft monochrom eingefärbt. Beti erzählt manchmal in Voice-Over, als spräche sie in der Funktion einer Reiseleiterin zu sich selbst.

Trotz ihrer bunten Ideenfülle ist die Geschichte leicht verständlich und flüssig erzählt. Andy Siege, der in Nairobi als Kind von Entwicklungshelfern geboren wurde, wuchs in Afrika und Europa auf. Diese interkulturelle Prägung verleiht seinem Film, bei dem er auch für Kamera und Schnitt zuständig war, nicht nur inhaltliche Aussagekraft, sondern ist vielleicht auch ein Grund für seine frische Experimentierfreude. Obwohl das Budget so knapp war, kommt selbst die Musik nicht zu kurz: Besonders schön sind die afrikanischen Gesangsmelodien und Flötenstücke, aber auch die Trommelrhythmen, wenn sich Action ankündigt. Siege und seinem Freund und Produzentenkollegen Pascal Dawson, der auch als Darsteller fungiert, ist ein sehenswerter Spielfilm gelungen, der Substanz und stilistische Originalität gewinnbringend zu kombinieren versteht.

Beti und Amare

Ein historischer und zugleich ein Science-Fiction-Film, der in Äthiopien spielt und mit einem Budget von 14.000 Euro produziert wurde: „Beti und Amare“, das Langfilmdebüt des Deutschen Andy Siege, ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Werk. Die Geschichte taucht ins Jahr 1936 ein, als Mussolini seinen Abessinienkrieg führt.
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