Berlin - Paris. Die Geschichte der Beate Klarsfeld

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mit einem Schlag berühmt

Wohl selten hat die Formulierung „mit einem Schlag berühmt“ besser gepasst als bei Beate Klarsfeld. Berühmt geworden ist die als Beate Künzel in Berlin geborene Journalistin durch eine Ohrfeige, die sie am 7. November 1968 dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem Podium des CDU-Parteitages in West-Berlin verpasste – begleitet von den Worten „Nazi, Nazi!“. Doch man tut Beate Klarsfeld Unrecht, wenn man sie allein mit dieser Aufsehen erregenden Aktion in Verbindung bringt, die zu den Ereignissen der bewegten Zeit um das Jahr 1968 gehört, die sich unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik Deutschland eingebrannt haben. Ihr Leben und ihr unerschrockenes Eintreten für die Ergreifung und Verurteilung von NS-Kriegsverbrechern geht weit über das öffentliche Abwatschen von Spitzenpolitikern hinaus und fasziniert ebenso wie ihr widerständiges Leben, das Hanna Laura Klar in einem sehenswerten Dokumentarfilm verarbeitet hat.
In diesem Film, der den Lebensweg seiner Protagonistin, die entscheidende räumliche Bewegung, die alles veränderte, bereits im Titel vorwegnimmt, erzählt Beate Klarsfeld ihre Geschichte selbst in verschiedenen Gesprächssituationen – mal redet sie direkt mit der Kamera, dann begleitet diese die engagierte „Nazijägerin“ und radikale Aufklärerin wieder bei Vorträgen und Interviews oder auch einfach nur in einem Park, wo allein die bloße Nennung ihres Namens ein Gespräch mit Passantinnen in Gang bringt.

Aufgewachsen in Berlin, brach Beate Klarsfeld zu Beginn der 1960er Jahre nach Paris auf, wo sie zunächst als Au-pair-Mädchen arbeitete und wo sie ihrem späteren Ehemann Serge Klarsfeld begegnete. Eine Begegnung, die alles veränderte. Da Beate Künzel in der Schule nichts über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erfahren hatte, gab ihr Serge Bücher zu lesen, die der jungen Frau die Augen öffneten: „Ich fühlte mich nicht schuldig, aber moralisch verantwortlich“, so beschreibt sie heute das, was sie damals umtrieb und bringt damit das Unbehagen der 68er- Generation gegen die Täter zum Ausdruck, das in jenen Jahren auf eine Kultur des Vergessens, Verdrängens und Vertuschens prallte.

1966, damals war sie Sekretärin des deutschen-französischen Jugendwerkes, wurde Beate Klarsfeld entlassen, weil sie einen kritischen Artikel über den frischgebackenen deutschen Kanzler Kurt-Georg Kiesinger veröffentlicht hatte, in dem sie auf dessen Vergangenheit als NSDAP-Mitglied hingewiesen hatte – ein Unrecht, das sie bis heute nicht versteht. Das Ereignis verdeutlicht ihr aber, dass man von der Presse erst wahrgenommen wird, wenn man „etwas Illegales“ macht. Was ihr dann im Jahre 1968 auch trefflich gelang.

Gemeinsam mit Serge, den sie 1963 heiratete, heftete sich Beate Klarsfeld auf die Fersen von Kriegsverbrechern wie Klaus Barbie, Alois Brunner oder Kurt Lischka, der für die Deportation von 76.000 Juden aus Frankreich in die Vernichtungslager verantwortlich war. Und weil gegen die Schwerfälligkeit der Behörden und die Schlupflöcher der Justiz nicht anders anzukommen war, schreckten die Klarsfelds auch vor illegalen Aktionen nicht zurück, die aber stets dem Zweck verpflichtet waren, ein noch viel größeres Unrecht aufzudecken und anzuprangern. So sollte etwa Lischka entführt werden, um ihn den Behörden in Frankreich zu überstellen – zum damaligen Zeitpunkt erlaubte es die Gesetzeslage nicht, ihn nach einer zuvor erfolgten Verurteilung ein weiteres Mal strafrechtlich zu belangen. Zwar scheiterte das Unternehmen und die Klarsfelds mussten für ihren Plan eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten hinnehmen. Doch langfristig bedeutete die Niederlage dennoch einen Sieg, weil auf ihr Bestreben hin ein Zusatzabkommen zu bestehenden deutsch-französischen Verträgen verabschiedet wurde, das die Verurteilung von Lischka und vieler anderer Kriegsverbrecher ermöglichte.

Gedankt wurde Beate Klarsfeld ihr Engagment und ihr unerschrockener Einsatz nur bedingt, zweimal war sie bereits für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen worden, beide Male lehnte es das Außenministerium als verantwortliche Institution für die Verleihung der Auszeichnung an im Ausland lebende deutsche Staatsbürger ab. In Frankreich hingegen wurde sie mit dem Orden „Offizier der Ehrenlegion“ ausgezeichnet, der höchsten Ehrung des Landes für zivile Verdienste.

Dennoch ist Beate Klarsfeld keineswegs verbittert oder von blindem Hass getrieben, sondern empfindet sich immer noch, auch nach so vielen Jahren in Frankreich, als Deutsche. Und wenn man Beate Klarsfeld nach ihrer Heimat fragt, dann lautet die Antwort auch heute noch ganz selbstverständlich „Berlin“. Dennoch lebt sie seit 50 Jahren in Paris, hat dort eine zweite Heimat und mit ihrem Ehemann Serge Klarsfeld, einem französischen Juden, einen Seelenverwandten und Lebensgefährten gefunden. Durch ihn, dessen Vater nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde, begann ihre Beschäftigung mit den Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten und die Scham darüber, wie viele der Täter von einst immer noch in Amt, Würden und diversen hohen Staatsämtern saßen. Wenn sie spricht, hört man kaum einen französischen Akzent heraus, nur zwischendrin streut sie immer wieder ein „bon“ ein, wenn sie erzählt.

Auch wenn Berlin-Paris. Die Geschichte der Beate Klarsfeld durch seine langen Interviewpassagen bisweilen ein wenig statisch wirkt, die Würdigung einer wagemutigen Frau, die unermüdlich gegen das Vergessen kämpft, ist längst überfällig und ein wichtiges Zeitzeugnis, das Mut machen sollte zu mehr Zivilcourage und Engagement gegen die Schrecken der Vergangenheit.

Berlin - Paris. Die Geschichte der Beate Klarsfeld

Wohl selten hat die Formulierung „mit einem Schlag berühmt“ besser gepasst als bei Beate Klarsfeld. Berühmt geworden ist die als Beate Künzel in Berlin geborene Journalistin durch eine Ohrfeige, die sie am 7. November 1968 dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem Podium des CDU-Parteitages in West-Berlin verpasste – begleitet von den Worten „Nazi, Nazi!“.
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