Baron Noir (Staffel1)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Pessimistische Perspektiven aus politischen Machtzentren

Dass es bei Politik vorrangig um Macht geht, wusste der berühmte florentinische Philosoph und Politiker Machiavelli schon im 15. Jahrhundert, und dem von seinem Gedankengut abgeleiteten, so bezeichneten Machiavellismus entströmt der Mief moralischer Verwerflichkeit. Ist die politische Praxis – vornehmlich auf höchster Ebene – tatsächlich so beschaffen, dass das Streben nach sowie die Ausübung und die Erhaltung von Macht einzelner politischer Protagonist_innen das oberste Leitziel dieser unvermeidlichen Disziplin darstellt, die doch offiziell den Belangen des Gemeinwesens verpflichtet ist? Die französische TV-Serie Baron Noir jedenfalls, deren erste Staffel im Februar 2016 im französischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und die nun nach der deutschen Fernsehpremiere in diesem Frühjahr hierzulande auf DVD und Blu-ray erscheint, plädiert deutlich dafür.

In Frankreich tost der landesweite Wahlkampf, als das Durchsickern eines Finanzskandals in der Parti socialiste, der sozialistischen Partei, die Führungselite ins Schwitzen bringt. Philippe Rickwaert (Kad Merad), Bürgermeister von Dünkirchen und engster Berater des Präsidentschaftskandidaten Francis Laugier (Niels Arestrup), gerät in eine unangenehme Klemme und muss zudem dringend eine erhebliche Summe an Geld auftreiben, um erst einmal das Schlimmste zu verhindern. Zimperlich geht er dabei keineswegs vor, und es stellt sich rasch heraus, dass Philippe ein ebenso gewiefter wie skrupelloser Profi auf politischem Terrain ist. In diesen gefährlichen Turbulenzen macht er die bittere Erfahrung, dass sein alter Freund Francis sich nicht scheut, ihn in dieser prekären Situation schlichtweg abzusägen, will er doch um jeden Preis den Präsidentenposten. Doch Philippe ist ein zäher Kämpfer, der sich immer wieder behaupten kann, so dass sich zwischen den beiden Machtmenschen ein leidenschaftliches politisches Duell entspinnt, bei dem auch üble Tricks, Intrigen, Sabotage und andere Manipulationen ungeniert zum Einsatz kommen.

Es ist unbestritten der imposant aufspielende, aus Algerien stammende Schauspieler Kaddour „Kad“ Merad (Die Kinder des Monsieur Mathieu, Willkommen bei den Sch’tis), der als zentrale, markante und dynamische Figur des Philippe diesen komplexen politischen Krimi dominiert. Sein Gegenspieler, meist allzu milde verkörpert durch Niels Arestrup, der gerade auch weitaus beeindruckender in Volker Schlöndorffs Rückkehr nach Montauk zu sehen ist, bleibt angesichts der einnehmenden Leinwandpräsenz Kad Merads recht verhalten. Abgesehen davon, ob dieses deutliche Ungleichgewicht beabsichtigt ist, trumpft das weitere Ensemble jedoch mit energischem Habitus auf, allen voran die weiblichen Darstellerinnen Anna Mouglalis als Amélie Dorendeu und Astrid Whettnall als Veronique Bosso – zwei Frauen, die sich im alltäglichen politischen Spannungsfeld zwar auf ihre ganz eigene Art zu behaupten wissen, letztlich jedoch überwiegend im Schatten der mächtigen Männer stehen und fallen.

Die Facetten und Entwicklungen, die Philippe als fokussierter Charakter dieses oppulenten politischen Schauspiels über acht Episoden hinweg zeigt, bilden den roten Faden der thematisch angelegten Dramaturgie, die durch bedeutsame Territorien der nationalen und internationalen französischen Politik streift. Dabei fokussieren sich auch die mehr und weniger legalen Tricks und Kniffe der politischen Szenerie auf die Person des Vollblutaktivisten Philippe, der immerhin auch als Vater, Ex-Mann und Geliebter präsentiert wird, aber zuvorderst immer Politiker ist. Dass seine zunehmend waghalsigen wie verzweifelten Machenschaften schließlich sowohl in Ruhm als auch in erbärmliches Scheitern münden können, verleiht dem Titelhelden von Baron Noir seinen groben Charme und der Serie eine beachtliche Spannung.

Die ungewöhnliche, konsequente Perspektive aus dem Inneren der Machtzentren heraus lässt so manche soziopolitischen Phänomene – wie etwa die Schülerrevolte in Episode fünf – in einem ganz anderen, dubiosen Licht erscheinen. Hier wird der Ruf der Politik als von Korruption durchwirktes, schmutziges Geschäft so ausführlich und unumwunden zelebriert, dass ein realistisch anmutendes Zerrbild entsteht, das den aktuell (welt)weit verbreiteten gesellschaftlichen Politik-Pessimismus im Rahmen einer starken, schlüssig durchstrukturierten Fiktion bestätigt. Moralische Fragen werden zwar angerissen, verflüchtigen sich aber rasch im Rausch des persönlichen Machtstrebens, das so in einem egozentrischen Selbstzweck versinkt. Die zahlreichen Referenzen zur französischen Politikgeschichte betonen zwar die nationale Ausrichtung von Baron Noir, doch die trefflich dargestellten Mechanismen dieser Machtmaschinerie eröffnen ebenfalls aufschlussreiche Übertragungsoptionen auf die vorherrschende Weltpolitik. Wo denn in diesen Konstellationen überhaupt noch die Belange der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden, ist die verdrossene Frage, die diese düstere Serie immer wieder mahnend aufwirft.
 

Baron Noir (Staffel1)

Dass es bei Politik vorrangig um Macht geht, wusste der berühmte florentinische Philosoph und Politiker Machiavelli schon im 15. Jahrhundert, und dem von seinem Gedankengut abgeleiteten, so bezeichneten Machiavellismus entströmt der Mief moralischer Verwerflichkeit. Ist die politische Praxis – vornehmlich auf höchster Ebene – tatsächlich so beschaffen, dass das Streben nach sowie die Ausübung und die Erhaltung von Macht einzelner politischer Protagonist_innen das oberste Leitziel dieser unvermeidlichen Disziplin darstellt, die doch offiziell den Belangen des Gemeinwesens verpflichtet ist?

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