Bananas, Pancakes und der Lonely Planet

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Das Märchen vom „Edlen Wilden“

Alles beginnt mit Unterwasseraufnahmen. Luftbläschen tanzen ungestüm hin und her und aus dem Off erzählt eine Männerstimme von der Legende des jungen Mönchs, der sich wünschte, als Wasserschlange wiedergeboren zu werden. Sein Wunsch ging in Erfüllung und seither sagt man in Laos, die Wasserschlange sei eine Beschützerin der Menschen. Anschließend ist tatsächlich eine Wasserschlange zu sehen. Sie wird von zwei jungen Männern gejagt, erschlagen und noch am Strand gegrillt. Schwer zu sagen, ob das nun eine Missachtung alter Traditionen ist. Oder ob das arme Tier einer anderen Unterart angehörte als die heilige Beschützerin. Vielleicht ist es auch ein Brauch, Wasserschlangen zu essen, um sich so ihre Kräfte einzuverleiben. In jedem Fall beginnt Banana Pancakes and the Lonely Planet auf diese Weise mit einem schwer zu entschlüsselnden Bild und stößt uns direkt auf die Fragestellungen im Zentrum: Reisen wir, wie es immer so schön heißt, wirklich um fremde Kulturen kennenzulernen, ganz zu schweigen vom Verstehen? Ist das überhaupt möglich?
Ein abgelegenes Dorf in Laos bildet den Mittelpunkt von Banana Pancakes and the Lonely Planet. Muang Ngoi Neua ist bekannt, weil sein Name seit einiger Zeit im Lonely Planet auftaucht, der Reisefibel der umtriebigen Backpackergemeinde. Muang Ngoi Neua wird in diesem Buch als Ort beschrieben, an dem die Zeit stehen geblieben ist, unberührte Natur fernab der Zivilisation. Daan Veldhuizen hat das Dorf aber schon vor dem Lonely Planet entdeckt. Dieses frühe Entdecken ist besonders wichtig: die Backpacker, die zum Ende der Regenzeit verlässlich in Laos auftauchen, haben dazu jede Menge zu sagen. Franzosen beim Abendessen: „Kaum wird etwas im Lonely Planet erwähnt, dauert es nur drei, vier Jahre, bis sich der Ort verändert. Hoffentlich kommen möglichst wenige Touristen her.“ — „Die Einwohner haben noch keine Erwartungshaltung unserem Geld gegenüber.“ Und schließlich zwei Holländerinnen in ihren Hängematten: „Was meinst du, ob die Menschen hier Stress kennen?“ — „Glaub nicht.“

Veldhuizen besucht Muang Ngoi Neua schon während der Regenzeit. Hier trifft er auf die beiden jungen Männer aus der Szene mit der Wasserschlange. Sie stammen von hier: Khao ist Reisbauer, wenn es regnet, und Tourguide in der Trockenzeit. Shai war eine Weile in der Großstadt, bringt nun einen Hauch Moderne mit ins Dorf: als Erster hat er einen Computer, bietet an der Hauptstraße Massagen für die Touristen an. In den alten Freunden spiegeln sich die Probleme, die potentiellen Konflikte der Region: der aufkommende Konkurrenzkampf. Das Streben nach einem modernen Lebensstandard bei gleichzeitigem Verbundensein mit den eigenen Traditionen. Daan Veldhuizen (er selbst führte die Kamera und bewerkstelligte auch den Schnitt) wohnt anfangs einer Stadtversammlung bei, in der der Bürgermeister das Filmteam vorstellt: „Unterstützt sie, dieser Film könnte uns viele Touristen herbringen.“ Je mehr Zeit man mit den Laoten verbringt, desto naiver erscheinen einem die Beobachtungen der langhaarig-barfüßigen Urlauber, die hier Joints am Strand rauchen, Ukulele spielen und ihren Exotismusfetisch pflegen, der von der alten Vorstellung des ‚Edlen Wilden‘ nicht weit entfernt scheint. Während sie zum Zeitvertreib ein Floß aus Bambusrohr zusammenzimmern, wird im Dorf das erste Haus aus stabilem Beton errichtet. Eine erste geteerte Straße entsteht und die Elektrizität hält Einzug: Veldhuizens Kamera filmt TV-Geräte und Lautsprecher, Ventilatoren und Neonröhren, folgt dem Verlauf grellgelber Kabel mit der gleichen Faszination wie zuvor den Insekten im Dschungel. Das Beobachtete lässt er unkommentiert, Banana Pancakes and the Lonely Planet arbeitet nur mit Originaltönen. Die Touristen mögen diesen Fortschritt nicht, erklärt der Bürgermeister. Er zerstört ihre Illusionen von einem unentdeckten Stückchen Erde.

Nicht nur das Beobachtete im Film hat mit Illusionen, mit Projektionen und Sehnsüchten zu tun. Auch: wie beobachtet wird. Natürlich trägt Khao im Reisfeld ein knallrotes Hemd, Komplementärfarben wirken schließlich am besten. Berge und Wasser wie gemalt, Makroaufnahmen lassen Insekten in hundertfacher Vergrößerung über Blätter krabbeln. Tiefenschärfe akzentuiert die Hände der Handwerker im Dorf: Korbflechter, Maler, Weberinnen, Netzknüpfer. Und schließlich schauen noch zwei Kindergesichter mit riesigen Kulleraugen direkt in die Kamera. Visuell erinnert Banana Pancakes and the Lonely Planet an Reisevideos und Showreels, mit denen Nachwuchsfilmemacher und Videokünstler auf Vimeo und Co für ihre Dienste werben: ein collagenartiger glossy look, der auf die größtmögliche Wirkung abzielt; so perfektes Handwerk, dass sich oft nicht unterscheiden lässt, was gestellt ist und was nicht. Gekonnt, aber eben ganz klar Werbeästhetik.

Schwer zu sagen, wie bewusst Daan Veldhuizen diesen Look einsetzt. Die Unterteilung seines Films in Regen- und Trockenzeit, das Fehlen einordnender Kommentare spricht für eine gesunde Portion Distanz, auch Ironie. Andererseits: auch Veldhuizen ist letztlich ein Tourist in fremden Landen. Ständig interagieren die Laoten mit ihm, reichen ihm kühle Drinks hinter die Kamera oder weisen sich gegenseitig darauf hin, vor ihm nicht allzu unbedacht zu reden. Wenn er ein reichhaltiges Abendessen im intimen Familienkreis filmt, sieht das zwar authentisch aus. Aber gut möglich, dass nur wegen der Kamera die Fülle an Speisen auf dem Tisch steht, dass sich vor seiner Kamera die gleiche Performance abspielt wie vor den Augen der Backpacker. Letztlich ist Veldhuizens Intention aber nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, dass dieser Dokumentarfilm nicht vorgibt, uns die Welt bis ins letzte Detail erklären zu können. Dass er Ambivalenzen aufrechterhält, sich nicht kategorisch auf eine Seite schlägt, uns verwirrt. So ist die Welt eben.

Bananas, Pancakes und der Lonely Planet

Alles beginnt mit Unterwasseraufnahmen. Luftbläschen tanzen ungestüm hin und her und aus dem Off erzählt eine Männerstimme von der Legende des jungen Mönchs, der sich wünschte, als Wasserschlange wiedergeboren zu werden. Sein Wunsch ging in Erfüllung und seither sagt man in Laos, die Wasserschlange sei eine Beschützerin der Menschen.
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