Auf Achse

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Mit Vollgas zurück in die Fernsehtruhe

Im deutschen Fernsehen existieren Serien, die allerhand Zeitgeister, Kanzler und politische Wenden überdauern, scheinbar niemals oder nur sehr langsam altern, dazu in der Regel selten richtig schlecht. Der Fahnder gehört in Teilen dazu, viele Derrick-Folgen natürlich, genauso wie Der Kommissar, aber auch allerhand BR-Klassiker von Polizeiinspektion 1 mit Walter Sedlmayr (und im Besonderen unter der Regie des Serien-Hexers der Bavaria: Zbyněk Brynych) bis hin zu Franz Xaver Bogners Irgendwie und Sowieso oder Helmut Dietls zeitlosen Münchner Gschichten in verschiedensten Variationen (z.B. Der ganz normale Wahnsinn). Und dann gibt es vor allem auch noch Der Alte – ein Dauerbrenner seit 1977 im ZDF, der in der heutigen Form beileibe nicht mehr der Rede wert ist, aber einstmals über den spitzfindigen, extrem lässigen Chefermittler namens Erwin Köster (unvergessen: Siegfried Lowitz) verfügte.

Die Latte lag also durchaus schon mal recht hoch in deutschen Fernsehredaktionen, weshalb besonders der Vorabend lange Zeit mit diversen TV-Formaten bestückt wurde: Bis zur Gegenwart – und damit auch mitten hinein in die heimischen Wohnzimmerstuben, naturgemäß jedoch in sehr differenten Qualitätsabstufungen. Unser Lehrer Doktor Specht? Na ja, wenn man in den 1990ern Teenager war, ok. Aber würde man sich das heute wieder ansehen, also freiwillig – und bei vollem Bewusstsein? Oh nein, allein schon wegen Veronica Ferres alias Anita Kufalt nicht… Überhaupt die Namen in derartigen TV-Produktionen: Oft zum Grausen, nichts weniger.

Und in puncto inhaltlicher Sprengkraft wie dramaturgischer Raffinesse ist es besser, den Mantel des Schweigens über diverse Bergdoktoren, Bergretter und andere bad-taste-Schmankerl des Mainzer Lerchenbergs auszubreiten. Deshalb soll fernsehhistorisch an dieser Stelle auch gar nicht erst detaillierter auf mancherlei Schwarzwaldkliniken, Forsthäuser, Frauenärzte und zwei Münchner im Nonsens-Nirwana der deutschsprachigen Unterhaltungsmaschinerie eingegangen werden: Es wäre doch am Ende eh nur verlorene Seh- wie Lesezeit.

Eine ähnlich durchkonstruierte Serie nach jenen Massengeschmacksdiktaten ist Auf Achse, die nun zum Tode von Manfred Krug erneut auf den Markt gebracht wurde (und bei Eurovideo als Gesamtbox erschienen ist). Durchaus prominent besetzt (z.B. mit einer blutjungen Monica Bleibtreu als verwitwete Speditionschefin), garniert mit zahlreichen Gastauftritten einiger passabler Charakterdarsteller, die von Rolf Zacher und Chiem van Houweninge über Herbert Fux, Volker Prechtel oder Claude-Oliver Rudolph bis hin zum großen Klaus Wennemann (dritte Staffel, Folge 48) reichen, prägte sie tatsächlich von der ersten Staffel (1978) bis zu ihrem längt fälligen Ende (1996) – was vor allem an der mauen Spielweise Armin Rohdes als Kaschinski lag – die TV-Sozialisation vieler männlicher Jungzuschauer.

Was natürlich in erster Linie mit der liebenswürdigen Bulligkeit Manfred Krugs zu tun hat, dem unumstrittenen Star der Serie. Sein hemdsärmeliges Alter Ego Franz Meersdonk, der Hau-Drauf-Trucker mit flotten Sprüchen und Dackelblick, zauberte viele Male das ein oder andere Lächeln in die Herzen motorbegeisterter Jugendlicher. Durch seine unbändige Fahrerlust wehte viele Jahre so etwas wie echter Abenteuergeist in die Kinderstuben. Und die Erdkundelehrer freuten sich gleich mit: Kaum eine Stadt wurde in den 86 Episoden ausgelassen, von München aus tuckerten die beide ungleichen LKW-Liebhaber wahrhaftig durch die ganze Welt. Das muss man den Machern um Georg Feil absolut zugestehen: So international – und gleichzeitig so deutsch – war wirklich keine andere heimische Serie dieser Zeit.

Ein Fahrt nach Teheran? Kein Problem. Mit Zwischenstopp in Jugoslawien (ja, das gab es damals wirklich noch)? Logo. Ein schnelle Tour in die raue Umgebung des Rotterdamer Hafens: Aber gerne doch! So ging das fast zwanzig Jahre lang – immer mit dem Co-Star Rüdiger Kirschstein (alias Günther Willers) an Krugs Seite. Auch wenn es in der Regie Hartmut Griesmayrs selten auf der Mattscheibe krachte, am Set soll es dagegen ganz anders gewesen sein: Stets ein bisschen giftig, der eine über den anderen frotzelnd – wie dem umfangreichen Bonusmaterial zu entnehmen ist.

Dass dem Zuschauer im Hier und Jetzt zwischen den Trucker-Touren in Indien, Griechenland, Mexiko, Thailand oder Italien nicht sofort die Augen zufallen, dafür sorgt die durchaus variantenreiche Kamera Joseph Vilsmaiers, der Auf Achse in ästhetischer Hinsicht oftmals durchaus aufwertete – und manch inhaltliches Einerlei mit Vollspeed vergessen lässt. Zu ähnlich, zu vorhersehbar sind sich nämlich dann doch viele Folgen, gerade auf narrativer Ebene, was ebenso an dem steinzeitlichen Erzähltempo einiger Staffeln (besonders der ersten beiden) liegt. Trotz allem lohnt sich ein Blick in diese längst verschlossene Fernsehtruhe namens Bundesrepublik, weil manche Dialoge mitunter den Zeitgeist des jeweiligen Jahrzehnts ordentlich einfangen. Und zuletzt bietet Auf Achse immerhin eine Wiederbegegnung mit Manfred Krugs außerordentlich physischem Spiel: Diesem Stiernackenschauspieler einzigartiger Prägung.
 

Auf Achse

Im deutschen Fernsehen existieren Serien, die allerhand Zeitgeister, Kanzler und politische Wenden überdauern, scheinbar niemals oder nur sehr langsam altern, dazu in der Regel selten richtig schlecht.

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