Aschenbrödel und der gestiefelte Kater

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Experiment: Kinderkino zum Mitmachen

Die Berliner kennen sie alle: die Märchenhütte am Monbijou Park, in der märchenhafte Unterhaltung für Groß und Klein geboten wird. Bald jedoch wird ganz Deutschland in den Genuss der fantasievollen Theaterperformances kommen, denn mit Aschenbrödel und der gestiefelte Kater schafft das Ensemble der Märchenhütte tatsächlich den Sprung auf die Kinoleinwand.
Zwei gelungene Bühneneinlagen werden gerahmt durch eine vollkommen nichtssagende Geschichte über den kleinen Paul (Ezra Finzi), der mit seiner Familie vom Land nach Berlin zieht, in die Stadt, in der es – warum eigentlich? – keine Märchen gibt. Auf magische Weise findet sich Paul plötzlich in der Märchenhütte wieder, wo dann endlich die eigentliche Handlung stattfindet. Wie in der original Märchenhütte in Berlin Mitte üblich erzählen jeweils zwei Schauspieler zunächst das Märchen von Aschenputtel und später das vom gestiefelten Kater. Dabei schlüpfen die Darsteller abwechselnd in verschiedene Rollen und bedienen sich so fantasievoll der wenigen Requisiten, dass die Geschichten trotz der begrenzten Mittel wahrhaft lebendig werden.

Der Clou an Aschenbrödel und der gestiefelte Kater soll jedoch ein ganz anderer sein. Es handelt sich hierbei nämlich um den ersten Mitmach-Kinofilm. Und damit Journalisten wie ich auch beurteilen können wie und ob das funktioniert, waren zur Pressevorführung auch scharenweise Kinder geladen.

Gleich zu Beginn tritt der Märchenbär MiKi auf und erklärt den Kindern (und Erwachsenen) im Publikum, dass sie im Laufe des Films singen, klatschen und tanzen dürfen. Bedauerlicher Weise folgt auf diese Einführung jedoch erst einmal die Rahmenhandlung und als MiKi dann endlich wieder am rechten unteren Bildrand auftaucht, um die kleinen Zuschauer zu verschiedenen Aktionen zu animieren, scheinen jene seine Anordnungen bereits vergessen zu haben. Nur sehr zögerlich und gedämpft kommt es zu ersten Reaktionen. Im Laufe der beiden Theaterstücke, die den Kern des Films bilden, lassen sich die Kinder mehr und mehr von der Energie der Schauspieler auf der Leinwand anstecken. Insgesamt, so scheint es, reagieren die kleinen Zuschauer deutlich stärker auf die Animation durch die Theaterschauspieler und weniger auf diesen merkwürdige Bären, der rechts unten in der Ecke den Vorturner mimt und bis auf die ersten Filmminuten nicht in die Haupthandlung des Films eingebunden wird.

Das MitMachKino funktioniert nur begrenzt. Die meisten Kinder scheinen schon gelernt zu haben, dass man im Kino ruhig sein und still sitzen soll und wenn man mich fragt, ist dies auch grundsätzlich eine wichtige Lebenslektion. Muss das Kino denn ein Raum für Aktion sein oder darf es darf es nicht auch einer der wenigen Orte bleiben, an dem wir lernen, passiv und trotzdem aufmerksam einer Geschichte zu folgen? Wie ich kürzlich auf dem Kinderfilmfestival Schlingel in Chemnitz erleben durfte, sind die meisten Kinder heute ohnehin nicht mehr in der Lage, einem 90 minütigen Film zu folgen, ohne zwischendurch in Privatgespräche zu verfallen oder mehrfach das Kino zu verlassen, um die Blase zu entleeren, Schabernack zu treiben oder einfach nur der eigenen Unruhe Ausdruck zu verleihen. Brauchen wir also wirklich ein Kino, das diese Tendenz noch verstärkt?

Mit Sicherheit ist zumindest kein Motivationsbär nötig, um Kindern Reaktionen auf das Leinwandgeschehen zu entlocken. Die kommen von ganz alleine, wenn ein Film es versteht, sein junges Publikum in die Geschichte zu involvieren. Den Schauspielern der Märchenhütte gelingt dies übrigens mit Leichtigkeit. Nur stellt sich hier die Frage, warum wir diese Form der Kinderunterhaltung nicht einfach im Theater lassen können. Ganz klar: Ebenso wie Cirque du Soleil – Traumwelten oder auch Metallica – Through the Never macht auch Aschenbrödel und der gestiefelte Kater seine Bühnenperformance einem größeren Publikum zugänglich. Davon abgesehen aber, kann der Film dem nichts hinzufügen und bleibt letztlich abgefilmtes Theater. Das tut dem Unterhaltungswert übrigens keinen Abbruch! Die Märchenerzählungen sind so voller Witz und Charme, dass sie Zuschauer jeden Alters problemlos begeistern können. Trotzdem graut mir persönlich bei der Vorstellung, dass abgefilmtes Mitmachtheater die Zukunft des Kinderfilms sein soll.

Aschenbrödel und der gestiefelte Kater

Die Berliner kennen sie alle: die Märchenhütte am Monbijou Park, in der märchenhafte Unterhaltung für Groß und Klein geboten wird. Bald jedoch wird ganz Deutschland in den Genuss der fantasievollen Theaterperformances kommen, denn mit „Aschenbrödel und der gestiefelte Kater“ schafft das Ensemble der Märchenhütte tatsächlich den Sprung auf die Kinoleinwand.
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