As I Lay Dying (DVD)

Eine Filmkritik von Martin Beck

Verwesung in Mississippi

Es gibt ja diese Filme, die Bewunderung statt Begeisterung erzeugen. Filme, die man gerne beiläufig in Konversationen erwähnt, aber nicht mal mit der Kneifzange in sein Wohnzimmerregal stellen würde – so nach dem Motto: „Gut, dass wir mal über As I lay dying gesprochen haben. Ich kenne ja alles von Faulkner, und dieser Film hier kommt der Vision des Meisters erstaunlich nahe.“
Was jetzt viel zynischer klingt als es eigentlich angebracht ist, denn As I lay dying ist tatsächlich ein guter Film. Regisseur/ Hauptdarsteller/ Drehbuchautor James Franco hat William Faulkners 1930 erschienenen Roman, der von der Reise einer armen Familie zum Beerdigungsort der gerade verstorbenen Mutter erzählt, so getreu und feinfühlig umgesetzt, dass Faulkners Stil tatsächlich erhalten bleibt – inklusive der fragmentarischen Erzählweise, die die Geschehnisse aus 15 verschiedenen Perspektiven schildert.

Während der Reise bricht nämlich nach und nach die Familienbande auseinander, was dann von allen möglichen Personen kommentiert wird und besonders am Anfang durchaus Verständnisprobleme bereitet. Der Film braucht etwas, um über Split Screens und den Einriss der vierten Wand die ganzen Charaktere zu etablieren und kommt erst nach der ersten halben Stunde in ein Fahrwasser, das wirkliche Anteilnahme ermöglicht. Vorausgesetzt, man sieht sich die deutsche Fassung an, denn der Slang-lastige Originalton dürfte selbst „native speaker“ gefrustet die Untertitel-Taste drücken lassen.

Die Personen in As I lay dying leben in Mississippi und sind arm bis schlicht. Schon klar, dass hier kein Oxford English erklingt und die Interaktionen weder charmant noch allzu helle sind. Man kommt sich ein bisschen vor wie in einem Zoo, nur mit dem Unterschied, dass die Suche nach einem Protagonisten, der uns die „schwierigen“ Persönlichkeiten näher bringen soll, nicht von Erfolg gekrönt ist. Faulkner wollte anscheinend ein Sittenbild der damaligen Zeit entwerfen, doch aus heutiger Warte sind die hier auftauchenden miesen/ verzweifelten Typen einfach zu weit weg.

Und dann hält sich Franco ja, wie bereits geschrieben, eng an die Vorlage, die ganz auf grimmige Ernsthaftigkeit getrimmt ist und dadurch das Drücken der „Play“-Taste mit einer grüblerischen Hemmschwelle belegt. Unsympathische Charaktere, eine von Engstirnigkeit und niederen Beweggründen bestimmte Handlung, Slang kurz vor Verzweiflungstränen und wiederholtes Grübeln über die gerade aktuelle Perspektive – genau so müssen sich Gefangene fühlen, die seit drei Jahren graue Wände anstarren. As I lay dying ist so sperrig und pessimistisch, wie es sich Marketing-Abteilungen in ihren schlimmsten Alpträumen vorstellen.

Und was zückt man dann? Natürlich die „literarische Treue“-Karte. Und natürlich die „kraftvoll“-Karte – was beides absolut stimmt und immerhin so weit eine Annäherung ermöglicht, dass die Leser, die gar nicht wissen, warum der Schreiber dieser Zeilen so sehr am Stöhnen ist, ohne Bedenken die Latzhosen anziehen können. Die Bewunderung der intellektuellen Neider wird ihnen gewiss sein. Und wenn man gerade einen unfassbar fröhlichen, optimistischen Tag verlebt hat, könnte man sogar erkennen, dass James Franco ein talentierter Mensch ist — der irgendwann hoffentlich an den Punkt kommt, solche literarischen Pfunde nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt einer imageträchtigen Challenge anzugehen.

As I Lay Dying (DVD)

Es gibt ja diese Filme, die Bewunderung statt Begeisterung erzeugen. Filme, die man gerne beiläufig in Konversationen erwähnt, aber nicht mal mit der Kneifzange in sein Wohnzimmerregal stellen würde – so nach dem Motto: „Gut, dass wir mal über „As I lay dying“ gesprochen haben. Ich kenne ja alles von Faulkner, und dieser Film hier kommt der Vision des Meisters erstaunlich nahe.“
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