App – Der erste Second Screen Film

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der Feind in meiner App

Zu welchen Verwicklungen es führen kann, wenn sich ein Betriebssystem selbstständig macht, hat Spike Jones jüngst in Her mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Leinwand gezaubert. Die Horrorversion dieses Szenarios liefert nun der niederländische Thriller App.
Wir leben in einer Zeit, in der ohne ein Smartphone nichts mehr geht. In nur wenigen Bildern macht uns Bobby Boermans App dieses ungeschriebene Gesetz unmissverständlich klar. Die Protagonisten tragen ihr intelligentes Telefon stets bei sich, egal ob am Frühstückstisch, im Hörsaal oder im Badezimmer. Die technische Wunderwaffe dient der pragmatischen Alltagsbewältigung genauso wie der alltäglichen Zerstreuung. Ist es einmal nicht zur Hand, geraten seine Besitzer auf der Suche danach beinahe in Panik. Richtig panisch werden die Charaktere im niederländischen (Psycho-) Thriller jedoch erst, als die Mobiltelefone ein mörderisches Eigenleben entwickeln.

Die Psychologie-Studentinnen Anna (Hannah Hoekstra) und Sophie (Isis Cabolet) sind beste Freundinnen. Nach einer durchzechten Nacht entdeckt Anna die App Iris auf ihrem Handy. Was zunächst wie ein nützliches Lexikon erscheint, entpuppt sich als Spyware mit weitreichenden Folgen. Mysteriöse Vorfälle häufen sich. Iris drängt sich in Annas Leben und bringt schließlich die beiden Freundinnen und deren Umfeld in Gefahr.

Moderne Technik als Teufelswerk ist ein alter Hut. Schon Platon setzte ihn sich auf, als er gegen die Schrift polemisierte. Und so verwundert es kaum, dass Medien, die den Horror zum Rezipienten transportieren nicht selten die Medien selbst zum Quell dieses Horrors küren. In Umberto Ecos Roman Der Name der Rose ist es ein Buch, das die Mönche reihenweise ins Jenseits befördert. Und spätestens seit David Cronenbergs Videodrome wissen fleißige Videothekengänger, was ein falsches Band im Abspielgerät alles anrichten kann. Eine Versuchsanordnung, die in japanischen Horrorstreifen auf zahlreiche andere Medien ausgedehnt wurde. In Boermans App ist es nun also das Smartphone samt seiner titelgebenden Anwendung, das den Schrecken verbreitet.

Boerman inszeniert seine krude Mär in hohem Tempo und mit ordentlich Action. 75 Minuten dauert der Thriller. Und der Kürze ist es zu verdanken, dass der Zuschauer dem Film die recht eindimensional gezeichneten Figuren und so manche Ungereimtheit im Drehbuch nachsieht. Es bleibt schlicht zu wenig Zeit, sich darüber aufzuregen. Was App zudem von der üblichen Stangenware abhebt, ist zum einen Hauptdarstellerin Hannah Hoekstra, zum anderen das Spiel mit der Technik.

Die 1987 geborene Hoekstra legt eine erstaunlich reife Leistung hin. Sie spielt Anna irgendwo zwischen jugendlicher Verletzlichkeit und erwachsener Abgeklärtheit. Eine unabhängige Frau, die schnelle Motorräder liebt und wenn es sein muss, auch mal mit ihrem Helm zuschlägt.

Durch eine App zum Film wartet der Thriller schließlich mit einer zweiten Ebene auf. Der deutsche Untertitel lautet folglich auch „Der erste Second Screen Film“. Und einmal mehr geht nichts ohne Smartphone. Während des Films versorgt das eigene Handy den Zuschauer mit Texten, Bildern und Videos. Der smartphonelose Zuschauer guckt hingegen in die Röhre. Eine Spielart mit Potenzial, die App letztlich aber zu wenig ausreizt.

Der Versuch ist dennoch des Lobes wert. Schließlich steigert die technische Spielerei nicht nur die Immersion, sondern auch das Unbehagen. Aller Vernunft zum Trotz fragt sich sicherlich manch einer nach Filmende, ob er die App im Gegensatz zur Protagonistin wieder loswird.

App – Der erste Second Screen Film

Zu welchen Verwicklungen es führen kann, wenn sich ein Betriebssystem selbstständig macht, hat Spike Jones jüngst in „Her“ mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Leinwand gezaubert. Die Horrorversion dieses Szenarios liefert nun der niederländische Thriller „App“.
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