Antigang

Eine Filmkritik von Martin Beck

Ich hab Polizei

Ein alternder Verbrechensbekämpfer mit brachialen Methoden, ein zugeknöpfter Chef, der auf das Gesetz pocht, und die Frau des Chefs, die mit dem alternden Verbrechensbekämpfer eine Affäre hat? Klar, das ist The Sweeney, oder auf deutsch The Crime – immer noch der König aller generischen Fremdschäm-Titel. Und eben auch Antigang, das französische Remake, bei dem Ray Winston und sein grobporiger Bierbauch durch Jean Reno ersetzt wurden.
Nach dem Abklingen der generellen Verwunderung, dass die mäßig erfolgreiche Adaption einer erfolgreichen britischen Fernsehserie einen französischen Aufguß bekommen hat, fühlt sich Mann gleich wie zu Hause. Deftige Oneliner, kantige Typen, die entweder nur gut oder nur böse sind, eine satte Ladung Geballer und im dritten Akt dann auch noch unverdientes Pathos – Antigang erinnert dramatisch an Michael Bay anno Bad Boys, bis hin zum grobschlächtigen amerikanischen Flair. Das wahlweise als „kernig“ oder „platt“ bezeichnet werden kann.

An was Antigang kurioserweise fast gar nicht erinnert, ist The Sweeney, denn die jenem Film innewohnende Arbeiter-Mentalität, die in ihrer geradliningen Zielstrebigkeit rustikale Rammbockqualitäten entwickelt, wird hier unter schlichtem Retro-Kintopp begraben. Anders als viele modernde Polizeifilme, die zunehmend auf dreckigen Realismus setzen, erstrahlt Jean Renos Gang in geradlinigen Outlaw-Farben. Eine weitere Ebene, die über „Die böse, wir gut, Chef blöd“ hinausgeht, gibt es nicht. Der Unterhaltungswert rekrutiert sich einzig aus dem Nebeneinander von Sprüchen und Geballer.

Bemerkenswert hierbei ist, dass die Kugelhagel von richtig fieser Brutalität begleitet werden, die überhaupt nicht auf Retro getrimmt ist, wohingegen die Sprüche noch genauso blöd sind wie früher. Irgendwie also zeitgemäßes Jungskino, bis hin zur generischen Beliebigkeit, die auch schon weiteren Versuchen in dieser Richtung, wie zum Beispiel From Paris with Love, wertvolle Sympathiepunkte gekostet hat. Dass Antigang bei uns das Kino umschifft und gleich ins Wohnzimmer kommt, sagt eigentlich schon alles.

Nein, wirklich gut ist das hier leider nicht, außer für genügsame Actiongülle-Fans. Boden gut machen kann lediglich Jean Reno, den selbst so ein runtergeblödetes Drehbuch nicht killen kann, und ein großartiger Shootout nahe der Nationalbibliothek in Paris. Die Bösen, also eine raubende und mordende Gangsterbande, entfacht hier einen Kugelhagel auf Heat-Niveau, deren forsche Intensität sowohl davor als auch danach nie wieder erreicht wird. Kein Männerkino eben, sondern Jungskino. Und wenn dann am Ende Tränen fließen, steht man relativ ratlos vor einem Scherbenhaufen baukastenförmiger Oberflächlichkeiten.

Der Regisseur von Antigang, Benjamin Rocher, hat zuvor La Horde und Goal of the Dead inszeniert. Das hier ist ein Schritt nach vorne, aber trotzdem: Sie wurden gewarnt. Und erhalten zusätzlich den guten Ratschlag, sich endlich mal den vielleicht verpassten The Sweeney zu geben.

Antigang

Ein alternder Verbrechensbekämpfer mit brachialen Methoden, ein zugeknöpfter Chef, der auf das Gesetz pocht, und die Frau des Chefs, die mit dem alternden Verbrechensbekämpfer eine Affäre hat? Klar, das ist „The Sweeney“, oder auf deutsch „The Crime“ – immer noch der König aller generischen Fremdschäm-Titel.
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Meinungen

Martin Zopick · 28.02.2023

Natürlich muss man bei diesem Film an den exakten Vorgänger nämlich “The Crime, Krieg in London“ von Nick Love denken. Beide Filme behandeln genau das gleiche Thema: eine Sonderabteilung der Polizei (‘The Squad‘) geht u.a. mit Baseballschlägern auf Verbrecherjagd. Serge (Jean Reno) ist hier der Chef dieser Truppe. In beiden Filmen sind die Stunts Mann gegen Mann gleich gut. So gut, dass man sich am Anfang fragt ‘Wer sind denn hier die Bullen und wer die Gangster?‘ Und beide Filme bieten die gleiche Hochspannung vom Anfang bis zum Ende. Nur hat der Film von Benjamin Rocher noch ein kleines Plus und damit die Nase vorn. Hier ist der menschliche Faktor besser ausgearbeitet und das mit französischem Charme und Witz. Wenn das Team von Serge feiert, geht das feucht fröhlich zu begleitet von flotten Sprüchen und frivolen Anzüglichkeiten, die immer nett bleiben. Das Verhältnis zwischen Serge und dem jungen Cartier (Alban Lenoir), dem werdenden Papa ist eine Vater – Sohn Beziehung der tiefer gehenden Art. Auch die Liebesbeziehung zu Margaux (Caterina Murino), der Frau seines Chefs Becker (Thierry Neuvic) geht unter die Haut, wenn Serge dafür von Becker Prügel bezieht.
Ballereien und Verfolgungsjagden sind auch gleich spannend, nur bei Rocher besser nachvollziehbar. Auch seine Tempowechsel sind ein wohltuendes Element der Action. Und wenn der etwas schmächtigere Cartier, das ungeheure Kraftpaket eines Ganoven mit Köpfchen unter der Hebebühne ausschaltet, ist das zum Zunge Schnalzen. Genauso locker verabschiedet die schwangere Ricci (Stefi Celma) ihren Mann Cartier ‘Geh schon Verbrecher jagen!‘ Und nach einer Pause ‘Und dass du ihnen ja ordentlich aufs Maul haust!‘ Sprach’s und zündet sich eine an. Zu vor gab es schon jede Menge Running Gags über das Rauchen bzw. Nichtrauchen. Margauxs Ende trifft einen schon, ein Kollateralschaden. Diese Spannung geht unter die Haut, ist amüsant und tut einfach gut. Für mich der beste Thriller des Jahres!