Another Glorious Day

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Update eines legendären Theaterstücks oder Stillstand?

Es gibt abseits der bekannten Bühnenklassiker weniger bekannte Theaterstücke, die trotzdem für einige Furore gesorgt haben. Kenneth H. Browns The Brig (zu deutsch: „Der Knast“) gehört mit Sicherheit dazu. In diesem Stück, das 1963 entstand und ein Jahr später seine deutsche Erstaufführung an der Akademie der Künste in Berlin erlebte, wird in komprimierter Form der Tagesablauf von Marineinfanteristen in einem US-Militärgefängnis in Japan geschildert, das Stück beginnt mit dem Wecken und endet mit dem Schlafappell. In den USA der frühen Sechzigerjahre, wo die Auswirkungen der Bürgerrechtsbewegung und die beginnende Unzufriedenheit mit den diversen Konflikten der USA zu spüren war, war The Brig nicht einfach nur ein Theaterstück, sondern ein Fanal des Widerstandes, ein Akt des zivilen Ungehorsams, der den Ruf der Schauspieltruppe Living Theatre begründete. Und der von der Staatsmacht mit allen Mitteln bekämpft wurde: Kurz nach der Premiere in Greenwich Village wurde das Theater wegen angeblicher Steuerschulden geschlossen. 44 Jahre nach der legendären deutschen Uraufführung von The Brig ist das immer noch aktive Living Theatre im Sommer 2008 an die Berliner Akademie der Künste zurückgekehrt und hat das Stück erneut aufgeführt. Die beiden Filmemacher Karin Kaper und Dirk Szuszies (letzterer war früher selbst aktives Ensemblemitglied des Living Theatre) haben mit Another Glorious Day die Wiederaufführung dokumentiert und gewähren Einblick in die Arbeit einer unbequemen Truppe und eines bemerkenswerten Stückes.
Vor dem Hintergrund der Skandale um Guantanamo Bay und die Ereignisse im irakischen Gefängnis Abu Ghraib gewinnt die Neuaufführung von The Brig einiges an Aktualität. Erniedrigungen, stupide Rituale, die einzig dazu dienen, den Willen der Gefangenen zu brechen, fortgesetzte psychische und physische Gewalt sind auch heute noch nach wie vor häufig verwendete Methoden der Folter. Sei es in den erwähnten US-Einrichtungen, in den Stasi-Gefängnissen oder in iranischen, nordkoreanischen oder anderen Einrichtungen. Gerade angesichts dieser Parallelen verwundert es schon ein wenig, dass Judith Malina, die mittlerweile 83-jährige Mitbegründerin und Leiterin des Living Theatre, das Stück vor einem Jahr in exakt der gleichen Weise inszeniert hat wie vor mehr als 40 Jahren. Der Zuschauerraum und die Bühne sind durch einen Käfig deutlich voneinander getrennt. Der Zuschauer ist ausgesperrt, während sich die Akteure – die zu Nummern degradierten Gefangenen und die Wärter – innerhalb des Käfigs befinden. Eine Manifestierung der klassischen Trennung von Zuschauerraum und Bühne, die gerade bei einem Thema wie diesem hätte aufgebrochen werden können.

Immerhin weiß der Film ein wenig freier mit den Perspektiven auf das Stück umzugehen: In einem Wechsel aus Totalen und Handkamera-Sequenzen folgt der Film dem Spiel der Darsteller, erfasst sie als Ensemble, um dann wieder im nächsten Moment in Groß- oder Detailaufnahmen zu wechseln. Ebenfalls dynamisierend sind die eingeschobenen Interviewpassagen mit Judith Malina und anderen Beteiligten. Das Bemühen, gegenüber der Theatererfahrung einen Mehrwert zu bieten, ist deutlich spürbar. Allerdings gelingt genau dies selten. Was vielleicht daran liegt, dass die Wirklichkeit, die The Brig abbildet, längst vorangeschritten ist, weil unser Kenntnisstand über Willkür, Folter und autoritäre Strukturen heute ein anderer ist als damals.

Man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, als sei das Living Theatre allen guten Absichten zum Trotze ein wenig der Zeit hinterher. Einfach nur ein Stück nach 44 Jahren wiederaufleben zu lassen, genügt eben manchmal doch nicht. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, die Vorlage von Kenneth H. Brown im Lichte der Erfahrungen der letzten Jahre zu modernisieren, eventuell sogar zu verfilmen. Wie solche eine filmisch beeindruckende Umsetzung von Gewalt, Willkür und dem Leben im Gefängnis aussehen könnte, das hat Steve McQueen erst vor kurzem in seinem Film Hunger auf drastische Weise deutlich gemacht.

Another Glorious Day hingegen erreicht diese Intensität eigentlich nie, der Film ist vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes „nur“ dokumentierendes, also bewahrendes Kino, das nicht nur die Flüchtigkeit einer Theaterperfomance, sondern auch das Voranschreiten der Zeit und den Stillstand als Rückschritt festhält. Ob das beabsichtigt war, ist eher fraglich.

Another Glorious Day

Es gibt abseits der bekannten Bühnenklassiker weniger bekannte Theaterstücke, die trotzdem für einige Furore gesorgt haben. Kenneth H. Browns „The Brig“ (zu deutsch: „Der Knast“) gehört mit Sicherheit dazu. In diesem Stück, das 1963 entstand und ein Jahr später seine deutsche Erstaufführung an der Akademie der Künste in Berlin erlebte, wird in komprimierter Form der Tagesablauf von Marineinfanteristen in einem US-Militärgefängnis in Japan geschildert, das Stück beginnt mit dem Wecken und endet mit dem Schlafappell.
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