Als wir die Zukunft waren

Eine Filmkritik von Falk Straub

In einem fernen Land

Sieben Regisseure über 60 erinnern sich an ihre Sozialisation in der DDR, an Aufbruchstimmung und Ernüchterung. In sieben dokumentarischen Episoden setzen sie sich mit der Zeit auseinander, „als wir die Zukunft waren“.
Ein Treffen in einem verträumten Landhaus in der Uckermark bildet den Ausgangspunkt. Sechs Regisseure und eine Regisseurin sind dort zusammengekommen, um in ihre Kindheit und Jugend in der DDR einzutauchen. Sie kennen, sie schätzen sich, waren gemeinsam an der Hochschule oder haben im Filmstudio miteinander gearbeitet. „Als Filmstudenten wollten wir immer politische Filme machen“, erinnert sich Thomas Knauf. „Was hat’s uns genützt? Gar nichts. Wir hätten unsere Geschichten erzählen sollen.“ Als wir die Zukunft waren holt das jetzt nach. Jeder hat eine Episode zu dem Gemeinschaftsprojekt beigesteuert. „7 Geschichten aus einem verschwundenen Land“, wie der Untertitel verrät, sind es geworden – sehr persönlich gefärbte, möchte man ergänzen.

Das Abtauchen in die Vergangenheit bleibt ein flüchtiger Moment. Nur zehn Minuten stehen jedem Regisseur für seine Episode zur Verfügung. Die Ergebnisse sind ganz unterschiedlicher Natur. Während die einen die knapp bemessene Zeit nutzen, ihren Werdegang von der Geburt bis zum Mauerfall nachzuzeichnen, konzentrieren sich andere auf einschneidende Erlebnisse, kehren in Gedanken wie in Wirklichkeit an vertraute Plätze zurück. Ausflüge ans Wasser, Kinobesuche, Radiosendungen oder der Duft von (westdeutschem) Kaffee, Parfüm und Obst färben die Erinnerungen schön. Nicht selten sind Großeltern, Eltern und die Protagonisten selbst vom Arbeiter- und Bauernstaat überzeugt. Spätestens mit dem Mauerbau macht sich bei vielen jedoch das Gefühl breit, dass die Verheißung des Sozialismus schwindet.

Allen Episoden gemein ist ein gewisser Hang zur Poesie. Der 1946 im mecklenburgischen Lübz geborene Hannes Schönemann etwa verzichtet ganz auf Archivmaterial oder mit Schauspielern nachgestellte Szenen, lässt nur die raue See und die verschneite (Dünen)Landschaft für sich sprechen. Wie seine Kollegen verwendet aber auch er einen getragenen Kommentar aus dem Off, reich an Formulierungen von literarischem Rang. Bei Andreas Voigt und Peter Kahane gehen die Erzähler gar Hand in Hand, eine alte und eine junge Stimme fließen ineinander. Die Erinnerung an die Straßen im geteilten Berlin bewegt Letzteren zu Sätzen wie: „Die Mädchen spielen ‚Himmel und Hölle‘ und die Erwachsenen eigentlich auch.“ Aus einem Kindermund erhalten sie bei Kahane noch einmal ein ganz anderes Gewicht.

Die eigene Kindheit bietet freilich auch Grund zur Heiterkeit, etwa wenn Gabriele Denecke als pflichtbewusste Schülerin den Entschluss fasst, den „Kriegstreiber“ Konrad Adenauer zu erschießen. Mit dem Reflektieren des politischen Bewusstseins vollzieht sich aber bei allen ein Bruch. Viele haben da bereits Mitschüler, manche gar den eigenen Vater an den Westen verloren, andere geraten mit den Behörden aneinander. In langen Einstellungen erzählt Hannes Schönemann von seiner Jugend im Kinderheim, wie wenig er mit einer kranken Mutter und einem Vater, der in den Westen rübermachte, zählte, und von seiner geplanten Flucht. Thomas Knauf besucht noch einmal ein Warschauer Gefängnis, in dem er eine Nacht verbrachte, weil er während eines Polenaufenthalts im August 1968 den Getöteten des Prager Frühlings gedachte. „Wir sollten Zukunft sein, aber ich habe genau das Gegenteil erlebt“, konstatiert Peter Kahane am Ende seines Beitrags nüchtern und beschreibt ein Gefühl, dass die anderen Filmemacher seinerzeit mit ihm teilten: Die Machthaber misstrauten der eigenen Jugend.

Bei aller Freiheit, die das Episodische mit sich bringt, ist die Struktur auch die große Schwäche dieses Dokumentarfilms. Einige Beiträge brechen genau dann ab, wenn es spannend wird, wirken dadurch nicht richtig zu Ende erzählt. Andere lassen durch einen sehr engen Blickwinkel einen größeren, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang vermissen. Den vermag auch das gemeinsame Gespräch der Regisseure, das die Episoden rahmt und an zwei weiteren Stellen unterbricht, nicht herzustellen. Das ist insofern schade, als die Filmemacher auch hier interessante Thesen diskutieren, etwa ob Sozialismus im Gegensatz zum Kapitalismus ein Glaube sei. Doch wie schon die Episoden ist auch die Diskussion zu kurz, als dass eines von beiden neue Erkenntnisse böte.

Als wir die Zukunft waren

Sieben Regisseure über 60 erinnern sich an ihre Sozialisation in der DDR, an Aufbruchstimmung und Ernüchterung. In sieben dokumentarischen Episoden setzen sie sich mit der Zeit auseinander, „als wir die Zukunft waren“.
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