A World Beyond

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Welcome To Disneytopia

Glauben wir dem Kino, dann wird es sich mit der Welt nicht zum Guten wenden. So zumindest zeigen es uns die sehr plastisch ausformulierten cineastischen Schreckensszenarien: Zerstörung, Katastrophen, Leid – soweit das Auge reicht. Und auch nach angestrengtem Nachdenken fallen dem Grübler mit Sicherheit nicht mehr als eine Handvoll Filme ein, die ein positives Bild der Zukunft malen. Mit Brad Birds A World Beyond gibt es nun immerhin ein weiteres, eindrucksvolles Beispiel für echte Utopie. Allerdings gilt auch hier: Bevor es gut wird, muss es erst einmal richtig schlimm werden.
Der Junge Frank Walker (Thomas Robinson, als Erwachsener: George Clooney) ist ein Erfinder mit Leib und Seele.In den 1960er Jahren stellt er seine Erfindung – einen Flugrucksack – bei einer Messe vor. Dort wird er von dem Mädchen Athena angesprochen, die ihm eine Anstecknadel gibt. Kurz darauf findet sich Frank in einer atemberaubenden, futuristischen Welt wieder. Jahrzehnte später erhält das geniale Mädchen Casey Newton (Britt Robertson) ebenfalls so einen Anstecker. Ehe sie sich versieht, steckt sie in einem halsbrecherischen Abenteuer, bei dem es um nichts weniger als das Schicksal der Welt geht.

Die offiziellen Inhaltsangaben zum Film verraten eigentlich schon zu viel. Besser ist es, Brad Birds Film möglichst unvorbereitet zu sehen. Wer schon zuvor genau weiß, in welches Loch das weiße Kaninchen verschwindet und wie es in der Welt dahinter aussieht, beraubt sich bestimmt ein wenig des Spaßes, den der Film ohne Frage macht. In A World Beyond zeigt der Regisseur nach Der Gigant aus dem All, Ratatouille und Die Unglaublichen abermals, dass er in er Lage ist, warmherzige Geschichten rasant und visuell eindrucksvoll zu erzählen und trotz des hohen Tempos die stetig ansteigende Spannungskurve mit der nötigen Ruhe zu entwickeln. Das macht Spaß, obwohl das Thema des Films eigentlich ein sehr ernstes ist: Schließlich geht es um nichts anderes als das Schicksal der Menschheit, die sich durch Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe, Umweltverschmutzung und Krieg selbst an den Rand des Abgrunds navigiert hat.

Der Untergang ist hinter den kinetisch einfallsreichen Actionszenen, so manchem emotionalen Moment und der spielfreudigen Performance der Darsteller stets deutlich spürbar. Ist die Apokalypse wirklich unabwendbare Bestimmung oder gibt es Hoffnung? Ja, lautet die nicht weiter verwunderliche, aber in ihrer Begründung interessante Antwort von Brad Bird und dem Autor des Drehbuchs Damon Lindelof. Es gibt Hoffnung, solange wir Träume haben. Im Film macht sich deswegen Athena (wunderbar: Raffey Cassidy), die als so etwas wie Disneys Headhunter für Visionäre unterwegs ist, seit Dekaden auf die Suche nach Träumern, Menschen wie Frank Walker oder Casey Newton, die sich eine bessere Welt immer noch vorstellen können. Denn der drohende Untergang ist durch die Menschheit selbst hervorgerufen – nicht allein durch ihre Taten, sondern durch ihre Gedanken! Otto-Normal-Mensch kann einfach nichts anderes mehr denken als den Horror, den er oder sie jeden Tag in Funk und Fernsehen eingetrichtert bekommt. Negative Ideen haben eine ganz eigentümliche Anziehungskraft. Wer schon einmal betrunken Fahrrad gefahren ist und sich ganz fest vorgenommen hat, nicht gegen die nächste Straßenlaterne zu fahren, weiß wovon hier gesprochen wird.

Am Ende ist alles gut. Bei Disney heißt das, dass die Bösen eins auf die Glocke bekommen und die Guten sich in die Arme fallen und endlich beginnen dürfen, die Weichen für eine neue, schönere Welt zu stellen. Hier stört ein wenig, dass Tomorrowland vor allem wie die Disney-Version einer Utopie wirkt. Zwar hat die Welt, für die Disneys Entwürfe für die Weltausstellung 1964 Inspiration waren, einen naiven Retro-Charme, allerdings mangelt es ihr optisch und vor allem inhaltlich an affektiver Kraft. Um diese schöne neue Welt wieder aufzubauen, erhalten zum Schluss jedenfalls eine Handvoll Menschen – Lehrer, Ingenieure, Künstler, Wissenschaftler und einige mehr – so einen Anstecker, wie ihn zuvor Frank und Casey erhielten. Sie sind die Träumer, die ein neues Tomorrowland erschaffen sollen. Filmkritiker sind übrigens nicht darunter. Auch andere Berufsgruppen, Arbeitslose, Minderheiten, kurz – alle die irgendwie nicht dem Klischee eines Träumers entsprechen –, fehlen. Glauben wir diesem Film, scheint die Erschaffung von Disneytopia kein wahrhaft partizipativer Prozess. Die Zukunft soll bitte von denen gestaltet werden, die gewisse Fertigkeiten mitbringen. Und vielleicht ist das der Grund, warum A World Beyond trotz seines hohen Unterhaltungswerts, der utopischen Kraft und der eigentlich positiven Aussage, den Zuschauer in einer ambivalenten Stimmung zurücklässt.

A World Beyond

Glauben wir dem Kino, dann wird es sich mit der Welt nicht zum Guten wenden. So zumindest zeigen es uns die sehr plastisch ausformulierten cineastischen Schreckensszenarien: Zerstörung, Katastrophen, Leid – soweit das Auge reicht. Und auch nach angestrengtem Nachdenken fallen dem Grübler mit Sicherheit nicht mehr als eine Handvoll Filme ein, die ein positives Bild der Zukunft malen.
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