Gabrielle – Liebe meines Lebens (2005)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Was am Ende übrig bleibt...

Patrice Chéreau ist zweifelsohne der Meister des Beziehungsdramas, das er mit Intimacy auf einen vorläufigen, von manchem Zuschauer als Skandal empfundenen Höhepunkt getrieben hat. Mit Gabrielle – Liebe meines Lebens widmet sich der Regisseur nun von neuem der Liebe als Schlachtfeld und seziert die Kälte und Entfremdung der gutbürgerlichen Gesellschaft zu Anfang des Jahrhunderts nach einer Erzählung von niemand Geringerem als Joseph Conrad. Ein beklemmendes Drama, dessen Ambiente zwar beinahe hundert Jahre zurückliegt, doch das genauso gut heute spielen könnte.

Das Ehepaar Jean und Gabrielle Hervé (Pascal Greggory und Isabelle Huppert) gehört zum arrivierten Bürgertum des französischen Metropole am Vorabend des ersten Weltkrieges. Dinnerparties und ausgedehnte Soiréen beherrschen ihren Alltag, geistreiche Gespräche gehören ebenso zum guten Ton wie Gastfreundschaft und Diskretion. Doch hinter der Fassade der Wohlanständigkeit und Kultiviertheit hat sich das Paar längst auseinander gelebt, sofern die beiden überhaupt jemals mehr als eine reine Zweckgemeinschaft waren. Nach wie vor pflegen die beiden das distanzierte „Sie“ als Form der gegenseitigen Ansprache und auch sonst hat man das Gefühl, dass sie nicht mehr verbindet als der gemeinsam errungene Status und die Wahrung des Scheins nach außen. Eines Tages aber, als Jean nach Hause zurückkehrt, ist das ganze selbsterrichtete Lügengebäude zusammengebrochen, denn Gabrielle hat das Haus verlassen, um mit einem anderen Mann zusammen zu leben. Binnen weniger Stunden kehrt sie zwar nach Hause zurück, doch das Idyll und die scheinbare Harmonie sind ein für alle Mal zerstört…

Auf den ersten Blick ist Gabrielle – Liebe meines Lebens ein sehr statisches und beinahe klassisch wirkendes Werk, das an Chéreaus Herkunft vom Theater gemahnt. Allzeit gefasst und nach außen beherrscht brodeln hinter der Fassade die Emotionen, die sich allenfalls im gelegentlichen Austausch von spitzen Bemerkungen und kleinen Gemeinheiten entladen. Nicht von ungefähr erinnert der Film an Strindbergs und Ibsens psychologisch geschultes Theater, was manchem Kritiker bereits im Vorfeld sichtlich irritierte. Wer sich allerdings auf diese recht eigene Art der Inszenierung einlassen mag, der wird mit einem ebenso spröden wie charaktervollen Filmkunstwerk belohnt, bei dem vor allem die beiden Hauptdarsteller Isabelle Huppert und Pascal Greggory eine Meisterleistung abliefern, die man gesehen haben sollte. Selten haben sich auf scheinbar beherrschten Gesichtern solche Dramen abgespielt wie bei diesen beiden. Und somit ist dieser Film nicht nur die messerscharfe Analyse einer Beziehung, die am Ende ist, sondern auch eine Ode an die Schauspielkunst.

Gabrielle – Liebe meines Lebens (2005)

Patrice Chéreau ist zweifelsohne der Meister des Beziehungsdramas, das er mit Intimacy auf einen vorläufigen, von manchem Zuschauer als Skandal empfundenen Höhepunkt getrieben hat.

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Meinungen

gast · 31.01.2006

wer mit so einem hervorragenden und anspruchsvollen Film nichts anfangen kann, soll doch in die amerikanische Kommerzsoße reingehen.

uhu · 15.01.2006

der film ist kalt, künstlich, langatmig und extrem anstrengend. Die beiden Hauptdarsteller sind großartig, aber Chereau hat es übertrieben, diese vielen stilistischen Mittel wie s/w-Szenen, Szenen in Zeitlupe und Texteinblendungen wie im Stummfilm machen einem den Zugang noch schwerer. Schade.

· 14.01.2006

dieser film ist der absolute mist.fad ohne ende. wer die stinklangweiligen filme von haneke mag, mag auch diesen film.