Frank Zappa - Eat that Question

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Mischung aus Jesus und Mr. Spock

Ein Revoluzzer, ein Hippie, ein Aufmischer, ein radikales Element, das mit Obszönitäten und Chaos dem Teufel nahe kommt: Frank Zappa war immer Ziel von Angriffen gewesen. Er selbst sah sich als Entertainer und als Freak, vor allem aber als ernstzunehmender Komponist zeitgenössischer oder avantgardistischer Musik. Thorsten Schüttes Dokumentarfilm Frank Zappa – Eat That Question folgt dem Charakter, dem Werdegang, der Musik von Zappa auf ganz besondere – und auf besonders passende – Weise: Wir sehen und hören Frank Zappa, in Interviews, bei Auftritten; und werden dabei nicht von einem Voice Over oder von den „Talking Heads“ diverser Experten und Weggefährten gestört. Wer noch nie etwas von Frank Zappa gehört hat, ist hier ebenso richtig wie die Fans: Man muss weder seine Person noch seine Musik kennen, um sich hier einzufinden, um sich zu unterhalten, um einem der großen amerikanischen Musiker des 20. Jahrhunderts nahezukommen. Alles, was man mitbringen muss, ist Offenheit. Open-mindedness – das ist der Grundsatz der zappaschen Philosophie.

Anfang der 1970er Jahre störten radikale Studenten massiv Zappas Konzert in Berlin, weil er sich zuvor geweigert hatte, ihre radikal-terroristischen Maßnahmen zu unterstützen. Mitte der 1980er stand er im Mittelpunkt einer Familienschutz-Kampagne, angezettelt von einigen konservativen Mütterbewegungen in den USA, die gegen die Pornographisierung der Rockmusik zu Felde zogen und in Zappas Texten reichlich fündig wurden. Eine Einladung des Papstes zu einem Konzert im Vatikan schlug er ebenso aus wie ein lukratives Engagement bei den Sommerversammlungen der französischen Kommunisten. Zappa lässt sich politisch nicht einordnen, und er ließ sich nie einbinden: Zappa war Zappa. Oder wie seine Tochter Moon nach einer Aufführung des Films auf den Hofer Filmtagen es ausdrückte: „Eine Mischung aus Jesus und Mr. Spock“, der kurz und bündig und immer logisch seine klaren Ansichten kundtat.

Weshalb er auch sein bester Anwalt in eigener Sache ist: In Interviews konnte er Menschen erreichen, die sonst seine Musik nicht hörten; auch in „Wer bin ich“-Gameshows oder bei Talkrunden. Das war ihm wichtig: Publikum zu haben. Weniger, um reich zu werden, als um die Menschen zum Denken anzuregen. Wobei Dollars natürlich auch hilfreich sind, wie er zugibt: Nämlich um das zu tun, was er tun will. Musik.

Immer wollte er als ernstzunehmender Künstler anerkannt werden. Dafür arbeitete er hart. Dafür gab er viel Geld aus – zum Beispiel, um mit dem London Symphony Orchestra unter Leitung von Kent Nagano seine symphonischen Werke aufzuführen; im Wissen, dass dies ein reines Zuschussgeschäft bleibt. Geradlinigkeit, Integrität, Kompromisslosigkeit spricht aus seinen Statements, und das ist nicht aufgesetzte Attitüde. Frank Zappa war radikal.

Freilich: Wenn man seine gesammelten Aussagen auf 90 Minuten komprimiert vor sich hat, wird klar, dass er sich in gewisser Weise selbst im Weg stand. Denn seine obszönen Texte, seine radikal satirischen Botschaften, seine komplexe Musik, seine irritierenden Rhythmen, seine schrägen Melodieführungen, seine exzentrischen Bühnenshows – dass so was als Rockmusik durchgeht, mit großen Konzerten und vielen Fans, ist fast schon ein Wunder. Edgar Varèse, Igor Strawinsky, Anton Webern waren seine musikalischen Vorbilder, die moderne, sehr moderne Musik, in der ungehört und unerhört Neues ausprobiert wurde, überführte er in die Rockkonzertszene.

Das war Zappas Gratwanderung: Musikalische Erneuerung, die er schuf, und das große Publikum, das er ästhetisch bereichern wollte. Sein großer Hit Bobby Brown war in den USA keiner, Radiostationen spielten dort Zappa nicht – anders als in Deutschland, wo man den Song doch immer wieder mal hört; belustigt erzählt Zappa, dass vor allem in Norwegen das Lied zum Discohit avancierte, unabhängig vom bösen Text sich perfekt für Stehblues anbot …

Stets wollte er Originelles schaffen, Avantgardistisches, wollte das Herkömmliche, das Standardisierte hinter sich lassen. Und zugleich sich und seine Musik mit großem Witz, mit viel Sinn für Unsinn präsentieren. Eine der Perlen, die Thorsten Schütte in den Archiven ausgegraben hat: Zappas Auftritt in der Steve-Allen-Show, in den frühen 1960er Jahren, noch ohne seinen typischen Markenzeichen-Bart: Ein Musikstück für elektronische Geräusche vom Playback, für Band und zwei Fahrräder. Auf den Rädern wurden Töne erzeugt, die Musiker sollten möglichst unmusikalisch dazu spielen, ein Tontechniker nach Belieben das Playback-Band abfahren. Dass er mit so etwas die Leute verstörte, war einerseits egal – lief aber andererseits eben in einer beliebten TV-Show. In den 1970ern ein Konzert, bei dem seine Bandmitglieder ziemlich schräge Töne erzeugten – und dann auf sein Geheiß diese instrumental erzeugten Nicht-Melodien sangen. Das könnte auch Helge Schneider sein.

Die Menschheit müsste sich viel mehr mit Frank Zappa beschäftigen. Erstens mit seiner Musik, die teilweise unhörbar ist, weil zu bizarr – nur in den 1970ern konnte so etwas erfolgreich sein – und weil sich Zappa auf diese Weise einen Ruf erarbeitet hat, konnte er sein Ding auch durchziehen, bis zu seinem Tod 1993. Zweitens mit seinen Ansichten, die auch heute beachtenswert und diskussionswürdig sind, visionär und zu weiten Teilen nicht nur wichtig, sondern auch richtig. Frank Zappa — Eat That Question ist ein Meilenstein für alle Musikliebhaber, für Zappa-Fans, für alle, die sich für Amerika und die westliche Welt interessieren; und für den Rest der Menschheit sowieso. Die Menschheit ansprechen: das war Zappas großes Ziel. Und wenn dies auch – wie nach dem Abspann zu sehen – in Bakteriensprache geschehen muss.
 

Frank Zappa - Eat that Question

Ein Revoluzzer, ein Hippie, ein Aufmischer, ein radikales Element, das mit Obszönitäten und Chaos dem Teufel nahe kommt: Frank Zappa war immer Ziel von Angriffen gewesen. Er selbst sah sich als Entertainer und als Freak, vor allem aber als ernstzunehmender Komponist zeitgenössischer oder avantgardistischer Musik.

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Meinungen

Leon Bührer · 28.12.2016

Grandioser Film

In einem Punkt muss ich den vorigen Kommentaren Recht geben:
Falls man Zappa nicht (gut) kennt, wird einem in diesem Film ein bisschen was fehlen, weil es eben keine Doku ist, sondern nur eine Aneinanderreihung von lustigen Geschichten und Interviews von Frank Zappa.
Ansonsten ist der Film sehr unterhaltsam und für den allgemeinen Musikliebehaber sehr zu empfehlen.

Dorian · 23.12.2016

Genre = Biographie; also neeeee, das stimmt nicht. Sind ja doch "nur" Filmschnipsel, auf denen FZ zu sehen ist; aber über die Person selbst erfährt man eher nix, schon gar nicht von seinen vielen WeggefährtInnen. Tags = Selbstinszenierung; yes! ;-) Daher würde ich Hr. Mühlbeyer auch ganz entschieden widersprechen: Wer FZ nicht kennt, wird mit dem Film vermutlich nicht viel anfangen können. Ich würde eher sagen, dass ein Zappa-Fan in erster Linie einen sehenswerten Film für andere Zappa-Fans (mich eingeschlossen!) gemacht hat.

Honk55 · 22.12.2016

Ich habe Zappa 2 x Live in Düsseldorf gesehen. Wenn man sich darauf einlässt, ist die Musik gar nicht so "bizarr". Und wer selbst Musik macht, wird schnell feststellen, wie hochanspruchsvoll seine Kompositionen waren.

Tobias · 04.12.2016

Seine Musik: "Teilweise unhörbar, weil zu bizarr" ... da musste ich doch - zustimmend! - schmunzeln. ;-) Hab' Zappa leider nie live gesehen, bin daher sehr gespannt auf den Film.