Flammend Herz

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unter die Haut

Flammend’ Herz ist mit Sicherheit eine der anrührendsten Geschichten, die je in einem Dokumentarfilm dargestellt worden ist. Eine Story, die im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht.
Seit Jahrzehnten bereits sind Herbert Hoffmann, Karlmann Richter und Albert Cornelissen befreundet. Was sie verbindet, tragen sie auf der nackten Haut – Tätowierungen. Wenn sich die alten Herren zwischen 84 und 90 entblößen und voller Stolz ihre mit Bildern übersäten Körper zeigen, ist man im ersten Moment sichtlich irritiert ob der Freizügigkeit und des Fetisches, dass man bei drei netten alten Opas kaum erwartet hätte. Rund um die älteste Tätowierstube Deutschlands in Hamburg St. Pauli (wo sonst), die der Anlaufpunkt von Herbert, Karlmann und Albert ist, entfalten sich drei Lebensgeschichten und drei Schicksale, die immer wieder auseinanderlaufen, um anschließend durch die gemeinsame Leidenschaft wieder zusammen zu finden.

Herbert Hoffmann, aufgewachsen als Sohn streng puritanischer Eltern entdeckte sein Faible für Tätowierungen schon sehr früh und verwirklichte schließlich 1961 seinen Traum, indem er einen eigenen Tattoo-Shop eröffnete. Auch Karlmann Richter, der aus einer der zehn wohlhabendsten Kieler Familien stammt, bemerkte schon früh seine Vorliebe für tätowierte Männer, doch anders als Herbert Hoffmann wählte Karlmann Richter zunächst den Weg ins bürgerlich-wohlgeordnete Leben mit arrangierter Ehe und einem anständigen Beruf. Der dritte im Bunde Albert Cornelissen hingegen ist dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt und hat viele von „seinen Frauen“ sogar mit Nadel und Tinte verewigt. Er ist ein Seemann, wie er im Buche steht, voller Bodenständigkeit und bärbeißigem Humor.

Als Herbert 1984 in die Schweiz zieht und das Geschäft an seinen Neffen übergibt, entbrennt ein Streit, der auch die Freundschaft der Protagonisten zerstört. Doch am Ende des Films sitzen die drei Freunde, die schon einmal bei einem gemeinsamen Urlaub in einen regelrechten „Tätowierrausch“ gerieten, wieder einträchtig nebeneinander auf einer Bank — zumindest für eine Minuten. Drei nette ältere Herren, denen man ihre Leidenschaft auf den ersten Blick nicht ansieht.

Mit Flammend‘ Herz, benannt nach Herbert Hoffmanns erstem Tattoo – ist den Regisseuren Andrea Schuler und Oliver Ruts – seines Zeichens selbst Tätowierer – ein berührender, heiterer und nachdenklicher Dokumentarfilm gelungen, dessen drei Protagonisten mitunter zu Tränen rühren und oftmals auch ein Schmunzeln aufs Gesicht zaubern. Was immer sie auch tun, ob sie reden oder sich ausziehen, nie ist man peinlich berührt, sondern stets ganz nah an ihrem Leben.

Die Bid- und Tonqualität der DVD ist in Ordnung. Nur bei den sehr spärlichen Bonus-Features hätte man sich etwas mehr Mühe geben können. Sei’s drum — Flammend‘ Herz ist und bleibt ein sehr besonderer Film.

Flammend Herz

Allzu schnell nur geriet in dem ganzen Rummel um Fatih Akins (verdienten) Gewinn des Goldenen Bären in Vergessenheit, dass auf der diesjährigen Berlinale eine ganze Reihe ausgezeichneter deutscher Filme zu sehen waren.

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