Fifty Shades of Grey (2015)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Triumph trotz Unterwerfung

Erstaunlich viel wurde schon über die Erotikroman-Trilogie Fifty Shades of Grey von E. L. James alias Erika Mitchell geschrieben – von Verrissen in den Kultur-Ressorts über glühend-begeisterte User-Rezensionen auf den Websites von Online-Versandhändlern bis hin zum soziologischen Essay. Und auch die gleichnamige Kino-Adaption von Sam Taylor-Johnson erregte im Zuge ihrer Premiere auf der Berlinale 2015 große Aufmerksamkeit.

Etliche Aspekte der Geschichte über die aufkeimende BDSM-Beziehung zwischen der 21-jährigen Literaturstudentin Anastasia Steele und dem sechs Jahre älteren, milliardenschweren Unternehmer Christian Grey laden zur Diskussion ein; die langweiligste Form der Auseinandersetzung ist fraglos die, sich über die literarische Qualität der Vorlage oder die vergleichsweise zahme filmische Umsetzung (und – damit einhergehend – über die Leserschaft respektive das Publikum) lustig zu machen. Der Bestseller nahm 2009 als Fan-Fiction zu Stephenie Meyers Twilight-Saga seinen Anfang – und hat ohne Zweifel einen gewissen Trash-Charakter, den man entweder als scheußlich oder als unterhaltsam empfinden kann.

Zu den kontroversen Punkten der Story gehört die Zeichnung der Protagonistin. Im Roman tituliert Anastasia sich selbst als „Königin der Tollpatschigkeit“. Nach der ersten Begegnung mit Christian bleibt sie, wie es heißt, „als zitterndes Häuflein weiblicher Hormone“ zurück; in einem anderen Kapitel wird beschrieben, wie Anastasia dem attraktiven Businessman „wie ein Kind, nicht wie eine erwachsene Frau“ eine Stammel-Antwort gibt. Man muss wahrlich keine passionierte Feministin beziehungsweise kein passionierter Feminist sein, um diese verhuschte Darstellung einer Frau des 21. Jahrhunderts als reichlich fragwürdig einzustufen. Von ihrer angedachten Funktion als „Sex-Sklavin“ des kontrollsüchtigen Christian ganz zu schweigen.

Die schlechte Nachricht ist: Auch in der Verfilmung wird Anastasia als linkische Kindfrau gezeigt. Die gute Nachricht ist, dass die Interpretin Dakota Johnson diesen undankbaren Part in einen Triumph umwandelt, der ihr – wenn diese Welt eine gerechte ist – bald bessere Rollenangebote bescheren wird. Während der Film von sexueller Unterwerfung erzählt, ist hier also eine begabte Schauspielerin zu sehen, die sich einem Drehbuch unterwerfen muss, das unter anderem von ihr verlangt, beim Eintritt in ein Büro völlig unmotiviert über ihre eigenen Füße zu stolpern. Oder wie eine Grundschülerin auf Bleistiften herumzukauen. Oder in alkoholisiertem Zustand ohnmächtig zu werden. Oder sich (etwa mit einem Klaps auf den Po) von ihrem „Herrn“ züchtigen zu lassen. Johnson gelingt es bei diesem Parcours der Peinlichkeiten nicht nur, ihre Würde zu wahren (wie sie es womöglich von ihrer Großmutter Tippi Hedren und ihrer Mutter Melanie Griffith gelernt hat, denen die Regie-Meister Alfred Hitchcock beziehungsweise Brian De Palma einst ebenfalls durchaus Grenzwertiges abforderten); sie schafft es mit ihrem häufig zum Vorschein kommenden Schmunzeln und ihrem guten Timing in den Gesprächspassagen sogar, der Figur Anastasia erheblich mehr Charme und Cleverness zu verleihen, als in der Buchvorlage angelegt sind – was indes auch damit zusammenhängt, dass Anastasias innere Monologe, die zu den eklatantesten Schwächen des Romans zählen, hier gänzlich wegfallen.

Auch eine andere Schwäche der Vorlage wird vermindert, ist aber immer noch allzu deutlich: Denn wesentlich furchteinflößender als alles, was der von Jamie Dornan verkörperte Christian in seinem „Spielzimmer“ an Bestrafungs-Utensilien bereithält, sind sein stalkerhaftes Verhalten, seine irrationale Eifersucht, seine Protzigkeit – und vor allem die Tatsache, dass der Film dies in romantischem Licht präsentiert. Wenn ein abendlicher Hubschrauberflug (mit Christian am Steuer) mit dem Ellie-Goulding-Song „Love Me Like You Do“ unterlegt wird, ist diese Feier des Materiellen obszöner als jede Sexszene, die der fantasiereichste Pornograf ersinnen könnte. Was die Erotik betrifft, liefern die Regisseurin Sam Taylor-Johnson und ihr Kameramann Seamus McGarvey eine Hochglanzbebilderung, die (wie auch die atmosphärische Einstiegssequenz) von handwerklichem Können zeugt – jedoch zugleich ziemlich bedauerlich ist: Die Chance, in einem großen Mainstream-Film von den Konventionen in der Darstellung von Sinnlichkeit und Sexualität abzuweichen, bleibt weitgehend ungenutzt. In einigen Situationen nähert sich Fifty Shades of Grey der gängigen kinematografischen Liebesfiktion noch auffallend an, indem beispielsweise der Klavier-Moment aus Pretty Woman zitiert wird oder das Paar zur Musik von Frank Sinatra tanzt.

Weitaus ärgerlicher ist allerdings, dass als Ursache für Christians sexuelle Vorlieben (sowohl im Buch als auch im Film) eine Backstory angedeutet wird, wie sie in ähnlicher Weise in Psycho-Schockern wie Alexandre Ajas Maniac als Begründung für die Gräueltaten eines wahnsinnigen Killers dient. Dass die sadomasochistischen Neigungen der Figur auf ein Trauma zurückzuführen sind, geben der Geschichte einen unangenehm konservativen Anstrich. Überdies bricht Christian permanent seine eigenen Regeln, wodurch das Gefühl entsteht, dass sich Buch und Film nicht ernsthaft für das Thema BDSM interessieren. Was bleibt, ist die Schilderung einer Beziehung zwischen einer Meg-Ryan-artigen Romantic-Dramedy-Heldin und einer Bret-Easton-Ellis’esken, ramponierten Seele. Während die Kinofassung mit einem Abschied endete, deutet der erweiterte Schluss, der auf der DVD enthalten ist, das „happy end“-Potenzial dieser Verbindung an. 2017 wird es auf der Leinwand weitergehen.
 

Fifty Shades of Grey (2015)

Fast 50 Schattierungen von Grau sind schon in dem ersten Bild von Sam Taylor-Johnsons Verfilmung von E.L. James’ Bestseller „50 Shades of Grey“ zu sehen. Und der Himmel über Seattle wird im weiteren Verlauf des Films wolkenverhangen bleiben, denn er ist ebenso düster wie Christian Greys (Jamie Dornan) Seele. Der 27-jährige begehrte Junggeselle ist erfolgreich, vermögend und stets kontrolliert.

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Meinungen

katinka · 21.02.2015

Sehr schön inszenierter Film, der den eher bescheidenen Inhalt aufwertet.

Wolfgang Mellein · 15.02.2015

Langweilig schlecht.