Ferien (2016)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Boring Borkum

„Ich glaube, du solltest ein Kind kriegen!“ Vivis Mutter weiß Rat, nur das liebe Töchterlein (Britta Hammelstein) will wieder einmal ganz anders. Wie schon so oft zuvor, wenn sie denn überhaupt mal etwas wirklich will. Denn Vivi bläst innerlich Trübsal, lange schon. Zu lange, meinen zumindest ihre Eltern (Victoria Trauttmansdorff, Detlev Buck): Mit der Karriere als angehende Staatsanwältin hat sie es nicht so. Genauso wie sie sich auch sonst in ihrem jungen Leben auf nichts und niemanden wirklich einlassen möchte. Vivi hat zwar einen durchaus netten, aber ziemlich harmlosen Freund (auffällig blass: Jungstar Golo Euler als Adam), mit dem sie es aber schon länger nicht schafft, Nägel mit Köpfen zu machen – und zum Beispiel zusammenzuziehen.
Vivi treibt mehr durchs Leben, als dass sie einmal bewusst selbst einen Gang höher schalten würde: Permanent fühlt sie sich seltsam ausgebrannt, während ihr direktes Umfeld naturgemäß alles besser weiß – und ihr das auch mitteilen muss, ob sie deren Lebenstipps nun hören, geschweige denn verarbeiten will oder nicht. In Britta Hammelsteins Gesicht (Marias letzte Reise, Freier Fall) ist davon allerdings nicht durchweg etwas zu spüren. In Bernadette Knollers Langfilmdebüt Ferien, der zum Ende ihres Regiestudiums an der Filmuniversität Babelsberg entstanden ist, hätte sie dafür allerdings eineinhalb Stunden Zeit gehabt.

Was erst einmal verwundert, denn Hammelstein konnte ihre schauspielerischen Fähigkeiten zum Beispiel am Münchner Residenztheater bereits mehrfach unter Beweis stellen. Nur hier fremdelt sie in gleich mehreren Szenen merklich, obwohl Paula Cvjetkovic und Bernadette Knoller gar kein so maues Drehbuch für sie verfasst haben: Eine junge Frau, die einfach mal aussteigt. Eine, die keine Lust mehr auf andauernde Selbstoptimierung hat, sich stattdessen dem allgegenwärtigen Leistungsdruck westlicher Gesellschaften schlichtweg verweigert: Bonjour tristesse aus dem Geiste der Generation Y.

Kein schlechtes Thema hat also die Endzwanzigerin Knoller für ihr ersten langen Spielfilm gewählt, der gut beginnt – und schwach aufhört, obwohl das skurrile Inselsetting in heiter-herber Nordseeatmosphäre in den ersten 30 Minuten ganz ordentlich unterhalten kann. Das liegt zum Beispiel am herrlich verschrobenen Otto (Ferdinand von Schirach), der zwischen öffentlichen Blumeninseln und weißen Spazierbänken einen kleinen Laden betreibt. Gerne gibt er hier sein Fachidiotenwissen zum Besten. Kein Wunder bei jemandem, der ein Faible für Bücher über Aale hat: Dieser zumindest partiell staubtrockene Wortwitz trägt Knollers insgesamt eher seichten, denn leichten Film anfangs noch in hohem Maße. Verstärkt durch „Moin Moin“-Dialekt und ein auffälliges Farbkonzept in türkis, weiß und blau (Bildgestaltung: Anja Läufer), gefällt sich Ferien als Film vor allem selbst eine Zeitlang recht gut. Die Jury des 37. Filmfestivals Max Ophüls Preis gestand Knollers erstem Langfilm dafür sogar den Drehbuchpreis zu, wofür sicherlich die eher ungewöhnliche, zart angeschlagene Tonlage verantwortlich ist: Schließlich ist der junge deutsche Film nicht gerade als Spaßfabrik bekannt!

Doch schon mit der Einführung der Biene-Figur, einer Alleinerziehenden (Inga Busch), bei der sich Vivi kurzfristig einmietet, kommt Ferien immer weiter ins Trudeln. Selbst die prominente Besetzung um Detlev Buck, dem Vater der Regisseurin, Golo Euler (Fado) und Ferdinand von Schirach (im realen Leben: Bestsellerautor und Strafverteidiger) kann da nicht mehr viel retten: Zu aufgesetzt wirken viele Passagen, zu stockend die Übergänge. Dass jüngst vermehrt tragikomische Stoffe von Filmschulabgängern wie Knoller angegangen werden, ist an sich keine schlechte Entwicklung. Denn für das Lachen sind internationale Zuschauer sicherlich leichter zu haben als für deutsche Alltagstristesse. Doch beim nächsten Mal bitte mit mehr Herzblut – und ohne Sechsämtertropfen-Humor. Dann wird das auch noch was mit der eigenen Insel.

Ferien (2016)

„Ich glaube, du solltest ein Kind kriegen!“ Vivis Mutter weiß Rat, nur das liebe Töchterlein (Britta Hammelstein) will wieder einmal ganz anders. Wie schon so oft zuvor, wenn sie denn überhaupt mal etwas wirklich will. Denn Vivi bläst innerlich Trübsal, lange schon. Zu lange, meinen zumindest ihre Eltern (Victoria Trauttmansdorff, Detlev Buck): Mit der Karriere als angehende Staatsanwältin hat sie es nicht so. Genauso wie sie sich auch sonst in ihrem jungen Leben auf nichts und niemanden wirklich einlassen möchte.
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