Federicos Kirschen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Kalb namens Kyoto

Manchmal sind es Zufälle, die die Geschicke der Menschen in bestimmte Bahnen lenken. So ergeht es auch dem schottischen Schriftsteller Pol Ferguson (Gary Piquer), der mit seinem klapprigen Wohnmobil durch die spanische Provinz gondelt, um einen Reiseführer zu schreiben. Und wenn man diesen Typen so sieht mit seinen langen grauen Haaren und den Trekking-Sandalen, kann man sich schnell vorstellen, dass es sich dabei weniger um einen Kunstreiseführer als vielmehr um ein Werk für Backpacker und Aussteiger handelt. Pols Ausstieg geschieht dann aber nicht ganz freiwillig – als sein prekäres Gefährt irgendwo in Asturien den Geist aufgibt, nimmt seine Reise einen ganz anderen Verlauf, als er dies ursprünglich im Sinn hatte. Denn wer den Schritt verlangsamt, anhält und mit den Menschen in Berührung kommt, der verändert den Blickwinkel, sieht plötzlich andere Dinge – und findet am Ende vielleicht sogar die große Liebe.
Als Gary nach seiner Panne das erstbeste Haus betritt, wird er zufällig Zeuge der Geburt eines kleines Kalbes, das nach dem Willen seiner Geburtshelfer den Namen Kyoto erhält – inspiriert vom 1997 beschlossenen Kyoto-Protokoll, das den Ausstoß gefährlicher Emissionen und Treibhausgase beschränken soll. Der Name des kleinen Rindviehs ist dabei keinesfalls zufällig gewählt. Denn schließlich führt der Bauer Federico (Celso Bugallo), dem das Anwesen gehört, seit 30 Jahren einen erbitterten Kampf gegen das benachbarte Kohlekraftwerk, vor dessen gefährlichem Fallout sogar seine Kirschbäume mittels durchsichtiger Schirme geschützt werden müssen. Das in Japan beschlossene Zusatzabkommen zum Schutz der Umwelt soll es nun richten und der Dreckschleuder endgültig den Garaus machen. Fasziniert von der sturen Hartnäckigkeit des Mannes, der in seinem beharrlichen und oftmals einsamen Kampf gegen das Kraftwerk an Don Quichotte erinnert, beschließt Pol zu bleiben. Immer tiefer dringt er in die gewachsenen Strukturen des Dorfes ein, lernt die Bewohner mit all ihren skurrilen Eigenheiten kennen, erfährt von dem vergeblichen Bemühen eines Paares, schwanger zu werden und verliebt sich schließlich selbst in Cristina, die eigentlich von Männern die Nase gestrichen voll hat.

Obgleich José Antonio Quirós mit seinem Film Federicos Kirschen (der spanische Originaltitel Cenizas del cielo verweist auf die Asche des Kraftwerks, die vom Himmel fällt) ein durchaus ernsthaftes Anliegen vorträgt, gerät der Film dank der mehr als schrägen Dorfgemeinschaft zu einem leichten und manchmal augenzwinkernden Vergnügen, das durchaus an den berühmten Vorgänger Local Hero von Bill Forsyth aus dem Jahre 1983 erinnert. Hier wie dort geht es um den Widerstand nur vermeintlich sturer Dorfbewohner gegen den Raubbau an der Natur und um den Kampf ländlicher Strukturen gegen die Gewissenlosigkeit der Industrie. Bei allem Charme der rustikalen Dörfler: Wenn man von episodischen Einschüben einmal absieht, birgt der Film bei aller Wärme wenig Überraschungen in sich; schnell ahnt man als Zuschauer, wohin die erzählerische Reise geht. Zudem gerät das Ende von Federicos Kirschen insgesamt recht abrupt, was angesichts des eher bedächtigen Erzählflusses dann doch ein wenig irritiert. Insgesamt aber ist Federicos Kirschen eine solide inszenierte manchmal hinreißend augenzwinkernde, dann wieder ein wenig banale Öko-Feelgood-Komödie, die gleichermaßen unterhält und ihr Anliegen charmant vorzutragen weiß – nicht mehr und nicht weniger.

Federicos Kirschen

Manchmal sind es Zufälle, die die Geschicke der Menschen in bestimmte Bahnen lenken. So ergeht es auch dem schottischen Schriftsteller Pol Ferguson (Gary Piquer), der mit seinem klapprigen Wohnmobil durch die spanische Provinz gondelt, um einen Reiseführer zu schreiben.
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