Fahrtwind - Aufzeichnungen einer Reisenden

Eine Filmkritik von Lena Kettner

Vom Wind verweht

„Wann weiß man, wenn eine Reise zu Ende ist?“, fragt die österreichische Regisseurin Bernadette Weigel am Ende ihres Films aus dem Off. Mehrere tausend Kilometer hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgelegt. In Kasachstan bricht sie sich schließlich einen Fuß und muss in ihre Heimatstadt Wien zurückkehren. Vielleicht ist es Schicksal — denn nur so hat Bernadette Weigel eine Chance, zur Ruhe zu kommen und die während der Reise gesammelten Eindrücke zu verarbeiten.
In ihrem Dokumentarfilm Fahrtwind — Aufzeichnungen einer Reisenden führt der Weg der Absolventin der Wiener Filmakademie von Österreich aus über verschiedene osteuropäische Länder bis nach Kasachstan. Wohin der Wind sie treiben und wie lange sie unterwegs sein wird, weiß Bernadette Weigel zu Beginn ihres Debütfilms noch nicht. Doch sie weiß, dass sie und ihr Kameraauge gierig sind nach neuen Erfahrungen und Begegnungen.

Dieser Essayfilm ist nicht nur eine Dokumentation der kulturellen Vielfalt in Europa, sondern vor allem eine Liebeserklärung an das Super-8-mm-Filmformat, in dem Fahrtwind — Aufzeichnungen einer Reisenden gedreht wurde. Bernadette Weigel setzt auf die Magie bewegter Bilder und verzichtet in ihrem Film auf Interviews, Off-Kommentare und gesellschaftskritische Bemerkungen, um sich in langen Einstellungen ganz auf ihre Beobachtungen zu konzentrieren. So filmt sie eine Zirkusaufführung in Odessa, ballspielende Kinder im Donaudelta oder hart arbeitende Bergarbeiter in einem kaukasischen Bergdorf. Dabei wird die Regisseurin nie zum Voyeur, denn die Menschen in den verschiedenen Ländern sind sich ihrer Präsenz vor der Kamera stets bewusst und lassen Weigel teilhaben an einem bestimmten Moment ihres Leben. In für die Regisseurin ungewohnten Situationen ist es beinahe so, als spiegle das Kameraauge ihre eigene Gefühlswelt wider. Voller Traurigkeit blickt es in die Augen eines Schafes, kurz vor dessen Schächtung für ein Opferfest in Georgien. Die Kamera wird sich erst dann von dieser Szene abwenden, wenn das Schaf seinem Schicksal endgültig erlegen ist.

Die Tatsache, dass die Regisseurin ihre Momentaufnahmen des Lebens mit einer asynchron verlaufenden Tonspur aus a capella gesungenen Liedern, Stimmen und Geräuschen unterlegt hat, verstärkt die geheimnisvolle Grundstimmung dieser genre-untypischen Reisedokumentation. Bernadette Weigel hat durch ihre außergewöhnliche Erzählweise eine Sprache für die nicht in Worte fassbaren Eindrücke während ihrer Reise gefunden. Bei der diesjährigen Diagonale —  Festival des österreichischen Films in Graz wurde sie dafür mit allen dokumentarischen Preisen in den relevanten Hauptkategorien ausgezeichnet. Gerne folgt man ihr und kann sich nicht sattsehen an dieser Fülle faszinierender Bilder. Doch irgendwann hat man das Bedürfnis, an einem dieser Orte innezuhalten, sich auf ihn einzulassen und seine Menschen näher kennenzulernen. Denn reisen ist mehr als Rastlosigkeit.

Fahrtwind - Aufzeichnungen einer Reisenden

„Wann weiß man, wenn eine Reise zu Ende ist?“, fragt die österreichische Regisseurin Bernadette Weigel am Ende ihres Films aus dem Off. Mehrere tausend Kilometer hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgelegt. In Kasachstan bricht sie sich schließlich einen Fuß und muss in ihre Heimatstadt Wien zurückkehren.
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Meinungen

eva.wawrik@gmx.at · 28.09.2013

Mir haben genauere Angaben über Länder und Leute gefehlt. Hat was von den Urlaubsfilmen,-dias, mit denen man in meiner Jugendzeit gequält wurde. Jemand nimmt auf, was ihm gerade unterkommt, und die Zuschauer müssen sich ihren Reim darauf machen.