Ewige Schönheit

Die Filmästhetik des Nationalsozialismus

Es ist schon befremdlich, wie sehr der Nationalsozialismus in den letzten Wochen und Monaten die Welt des Arthouse- und Mainstream-Kinos beherrscht. Dokumentationen, Spielfilme, Essays – nahezu jedes Genre bedient sich mittlerweile aus dem Fundus einer deutschen Epoche, die zwar tausend Jahre währen sollte, es letztlich aber nur auf 12 Jahre brachte. Ein „Trend“, der schon recht merkwürdig anmutet, denn beim Gang in die Kinos sind die Chancen, eine SS-Uniform, einen Gestapo-Ledermantel oder zumindest den Führer selbst zu Gesicht zu bekommen, enorm gestiegen. Plötzliches Geschichtsbewusstsein, ein neu entfachtes Interesse am Umgang mit der eigenen Vergangenheit, Merkwürdigkeiten der deutschen Förderpraxis, dass vieles, was sich mit der NS-Zeit auseinandersetzt, beinahe unhinterfragt gefördert wird oder einfach nur Erkenntnis, das sich dafür in Deutschland immer ein Publikum findet? Die Wahrheit liegt wie so oft wahrscheinlich irgendwo dazwischen, doch das macht die auffallende Häufung nicht weniger bedenklich.

Der Film Ewige Schönheit des Regisseurs Marcel Schwierin widmet sich einem ganz besonderen Aspekt des Nationalsozialismus, und zwar dem des Filmschaffens. Wie kaum eine Bewegung zuvor verstanden es die Nazis, sich des neuen Mediums Film anzunehmen und benutzten das Kinos als zentrales Element ihrer Propaganda. Die Machtergreifung war auch eine Inbesitznahme der Bilder und Visionen der Deutschen, die sich fortan aus einer kruden Mixtur aus Germanentümelei, seichtem Spießertum, esoterischem „Blut und Boden“-Gestammel, bolschewistischer Ästhetik, übelster Hasspropaganda und wagnerianischer Todessehnsucht speiste. Doch die Bilder verfehlten ihre Wirkung nicht und entwickeln bis heute einen Sog, der subliminal bis in unser ach so aufgeklärtes Leben hineinwirkt – die tumben Muskelpakete aus Bildstrecken für Calvin Klein und andere bedienen sich mehr oder minder ungeniert den Inszenierungen eines Arno Breker oder einer Leni Riefenstahl. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Ewige Schönheit ist ein durchaus beeindruckendes Dokument und die erste filmische Untersuchung des nationalsozialistischen Filmschaffens. Kenntnisreich, gründlich und mit Ausschnitten aus Filmen, die wahrscheinlich noch niemals jemand gesehen haben dürfte, untersucht der Regisseur Marcel Schwierin Bildästhetik und Konstruktionsprinzipien des nationalsozialistischen Films, und zwar von den Anfängen der „Bewegung“ 1919 bis zum ihrem verdienten Ende im Jahre 1945. Einige Male geht die filmische Fleißarbeit des Regisseurs aber arg daneben, gerät zu salopp, dann wieder zu ernsthaft und droht dann wieder genau dem zu erliegen, das beklagt und analysiert wird – dem Rausch der zweifelsohne sehr verführerischen Bilder. Und wie beim ähnlich gearteten Film Hitlers Hitparade stumpft der Zuseher zunehmend ab gegen die Bilder, die sich am Schluss in einem weißen Rauschen verlieren. Das ist – mit Verlaub – bei einem Film, der sich politisch bewusst und aufklärerisch gibt, fast ein wenig kontraproduktiv, doch trotzdem gelingt Schwierin ein interessanter Film, der die Bilderwelten der Nationalsozialisten als schaurig-schönes Sammelsurium obskurer Kleinbürger-Mythen demaskiert.

Ewige Schönheit

Es ist schon befremdlich, wie sehr der Nationalsozialismus in den letzten Wochen und Monaten die Welt des Arthouse- und Mainstream-Kinos beherrscht.

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Meinungen

Der Redaktör · 14.04.2005

Es ist prinzipiell nichts gegen die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus einzuwenden, im Gegenteil. Aber wie mein Vorredner bereits sagt, ist die Häufung in den letzten Wochen und Monaten nicht der prinzipiellen Bereitschaft geschuldet, über diese Themen verstärkt nachzudenken (LEIDER NICHT), sondern dem Datum 60 Jahre Kriegsende.
Dass eine Aufarbeitung der NS-Zeit nötig ist und in einigen herausragenden Filmen auch exzellent geleistet wird (erwähnt sei hier 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß), steht außer Frage, gerade WEIL die Generation der direkten Zeitzeugen nicht mehr allzu lange leben wird.
Doch man sollte doch zumindest bei einigen Filmen der letzten Monate hinterfragen, aus welchen Motiven heraus sie sich mit der Nazi-Zeit beschäftigen. Ich unterstelle einfach mal, dass sich mittlerweile bei den deutschen Medien (Kinoproduzenten, Fernsehanstalten und Buchverlagen) die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass sich das Dritte Reich einfach gut verkauft.
Es geht mir also im Wesentlichen darum, diese Häufung und die Kommerzialisierung aufzugreifen, weil mir in vielen Fällen die Motive zu sehr ökonomisch und zu wenig EHRLICH erscheinen. DAS finde ich bedenklich.

Mike · 14.04.2005

"Bedenklich" ist nicht, dass es Filme, wie diesen gibt. Bedenklich ist die Häufung und die Praxis Filme mit dem Thema Faschismus in Deutschland quasi nicht hinterfragt zu fördern. kino-zeit.de berichtet wöchentlich von deutschen Neu-Starts, die den Faschismus thematisieren , alleine in dieser Woche zwei. Täuschen wir uns nicht, beim Film geht es auch um das Geschäft und mit Filmen über den Faschismus läßt sich gut verdienen. Was darüber aber leider zu sehr in den Hintergrund tritt, ist die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Problemen von heute. Ein gesunder Mittelweg - das wäre wünschenswert.

Renate Fabriz · 14.04.2005

Guten Tag,
zum Ende des 1. Absatzes der Bemerkungen zum Film "Ewige Schönheit": was ist um Himmels willen daran BEDENKLICH, wenn 60 Jahre nach Kriegsende endlich verstärkt über die Nazizeit berichtet wird? Es sind sowieso fast keine ehemaligen KZ- und sonstigen Opfer mehr am Leben, die noch Zeugnis ablegen können! Hält dieser Beschwichtigungs-Trend (beginnend mit dem 8.5.45) "Man muss endlich damit aufhören" immer noch an?? Nachdem Eltern und Schule häufig geschichtlich versagen, müssen wohl die Medien diese Zeit zeigen und erklären, Zusammenhänge aufweisen und auch jungen Menschen ein Bild dieser Epoche vermitteln.
Ich muss sagen, ich bin ziemlich empört über diese Bemerkung.
MfG
Renate Fabriz
Jahrgang 1940
(Vater SS-Sturmbannführer, 1945 vor Berlin gefallen)
Hannover, 14.4.04