Eva Hesse

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

The Artist is present

Man kennt Eva Hesses Werk, auch wenn man den Namen der Künstlerin nicht sofort wiedererkennen mag: große, sinnliche Arbeiten aus Latex, Schnüren, Glasfasern, die aus ihren Rahmen ausbrechen, organischen Gebilden gleich aus dem Boden wachsen und wie Gewebe im Raum hängen. Sie erinnern manchmal an Brüste, manchmal an Phalli, sind streng geometrisch und brechen doch aus der Geometrie aus, wirken hart und weich zugleich. Wenn man davor steht, spürt man noch heute die Energie der Künstlerin, die diese postminimalistischen Werke in einer kurzen Schaffensphase gegen Ende der 1960er Jahre kreiert hat. Der Film Eva Hesse wirft nun einen Blick auf die Frau hinter jenen Werken, und erzählt, wie sie zu einer der wenigen Künstlerinnen wurde, die sich in New Yorks männlich dominierter Kunstszene durchsetzen konnte.
Das Leben Eva Hesses bietet eigentlich Stoff für mehrere Filme: Als junge Frau suchte sie im New York der 1950er Jahre nach dem Sinn ihres Lebens und fand ihr Talent in der Kunst. Sie entstammte einer jüdischen Familie aus Hamburg, die im allerletzten Moment vor den Nazis nach Amerika fliehen konnte. Früh heiratete sie einen charmanten Bildhauer, der sie betrog. Sie trug viel Schmerz in sich und viel Ehrgeiz, beides trieb sie dazu, sich immer wieder leidenschaftlich in ihre Arbeit zu stürzen. Sie war eine außergewöhnliche Frau.

Nun stellt sich bei all diesen Facetten natürlich die Frage, wie man sie am besten in einem einzigen Dokumentarfilm unterbringt. Marcie Begleiter, Regisseurin und Produzentin, hat sich für die klassische chronologische Erzählweise entschieden. Jahr um Jahr handelt sie im Leben Eva Hesses ab. Das mag erst einmal wenig innovativ klingen, ist bei der Fülle der Informationen aber der einzig richtige Weg. Was diese Künstler-Biografie so spannend macht, sind die detaillierten historischen Fundstücke, die zahlreichen Interviews mit Weggefährten und Familienmitgliedern sowie die ungewöhnliche Erzählform. Begleiter lässt Eva Hesse selbst als Ich-Erzählerin durch den Film führen. Das ist nur möglich, weil die Künstlerin eine Fülle an Tagebüchern und Briefen hinterlassen hat, in denen sie jedes Detail ihres Lebens scharfsinnig hinterfragte und festhielt und aus denen die Regisseurin nun vorlesen lässt. Dadurch schlängeln sich Hesses Gedanken gleich einer ihrer Skulpturen als roter Faden durch den Film, hält ihn zusammen, lässt aber auch viel Platz für Einschübe, Anekdoten und Zeitdokumente.

Dafür hat Begleiter eine umfangreiche Materialsammlung zusammengetragen. Sie drehte bereits 2014 den Kurzfilm Eva Hesse. Walking on the Edge für die Retrospektive der Hamburger Kunsthalle und befasst sich seit einigen Jahren mit der Künstlerin. Dem Film merkt man diesen Recherche-Tiefgang an, zu Wort kommen nicht nur die Kuratoren des Whitney- oder Tate-Museums, die Schwester und alte Bekannte Hesses, es sind auch Familienfotos, Filmaufnahmen aus Hesses Atelier, ihre Skizzen, alte Eintrittskarten, Plakate und Ausstellungsaufnahmen zu sehen. Daraus entsteht ein sehr intimes Porträt dieser Ausnahmekünstlerin, die viel zu früh starb, aber eine Fülle an Werken hinterließ. Einer ihrer Freunde beschreibt am Ende staunend, dass Hesses Skulpturen und Bilder in einer Ausstellung nach ihrem Krebs-Tod das gesamte Guggenheim in New York füllten. „Und das alles hat sie innerhalb von fünf Jahren geschaffen, sie hat unglaublich viel gearbeitet.“ Hesse selbst sagte über ihre Arbeit hingegen: „Ich möchte meine Arbeit als eine Art „Nicht-Kunst“ betrachten, die ihren Weg frei von Vorurteilen geht, die über das hinausgeht, was ich weiß und was ich wissen könnte.“ Begleiter ist es gelungen, diese freie, radikale Sicht- und Arbeitsweise einzufangen. Der Film zeigt die unbändige Energie dieser jungen Frau und wenn er zu Ende ist, will man sofort eine Ausstellung mit ihren Werken besuchen, um diese Energie noch einmal auf sich wirken zu lassen.

Eva Hesse

Man kennt Eva Hesses Werk, auch wenn man den Namen der Künstlerin nicht sofort wiedererkennen mag: große, sinnliche Arbeiten aus Latex, Schnüren, Glasfasern, die aus ihren Rahmen ausbrechen, organischen Gebilden gleich aus dem Boden wachsen und wie Gewebe im Raum hängen. Sie erinnern manchmal an Brüste, manchmal an Phalli, sind streng geometrisch und brechen doch aus der Geometrie aus, wirken hart und weich zugleich.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Ingrid Fischer · 21.08.2016

Ich bin neugierig, den Film über Eva Hesse zu sehen. Ich kenne einige ihrer großartigen Bildwerke und hoffe, in diesem Film noch mehr von dieser bedeutenden Künstlerin zu erfahren.