Essential Killing

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Auf Leben und Tod

Selten war es leichter einen Film auf den Punkt genau zusammenzufassen. Jerzy Skolimowskis Essential Killing zeigt, wie ein Taliban Mohammed (Vincent Gallo) aus der afghanischen Wüste in ein polnisches Verhörgefängnis gebracht werden soll und unterwegs fliehen kann. Das zum Inhalt. Der Rest ist die oft rohe und brutale Darstellung eines existenziellen Überlebenskampfes.
Es gibt vieles an Essential Killing, das man mögen kann. Zum Beispiel die glasklaren Aufnahmen des Kameramannes Adam Sikora. Schließlich ist in einem Film, in dem der Hauptdarsteller kein einziges Wort sagt, die Bildgebung enorm wichtig. Sikora filmt die Wüstenlandschaft Afghanistans mit der gleichen Präzision, wie er die kalten und verschneiten Wälder Ostpolens ins Bild setzt. Zwei lebensfeindliche Umgebungen, die in diesem Werk die eigentliche Hauptrolle spielen.

Auf der Flucht wird die Lange immer verzweifelter für Mohammed. Er läuft in eine Bärenfalle und letztlich muss er töten, um zu überleben. Das thematisiert bereits der Titel: Die Notwendigkeit des Tötens. Einige Leichen pflastern Mohammeds weg. Doch Skolimowski ist klug genug die einzelnen Tötungen nie als moralische Fallbeispiele zu inszenieren. Dem Altmeister des polnischen und auch europäischen (wer könnte sein belgisches Meisterwerk Le depart vergessen!) Kinos geht es um Existenzielleres. Der Mensch, der gezwungen wird sein ganzes zivilisatorisches Gepäck abzulegen, bis er begreift, dass er im Grunde ein Teil eines größeren Ganzen ist. Mohammed ist auf dem besten Weg in sein eigenes Herz der Finsternis einzudringen, wie es Joseph Conrad in seinem gleichnamigen Klassiker bereits festgehalten hat. In diesem Sinne bräuchte es die Afghanistan-Konnotation gar nicht. Der Flüchtling könnte genauso aus Tokio, Bogota oder Wuppertal stammen.

Einmal erwacht der Flüchtling und wird von einem Reh angeschaut. Automatisch greift der Verwundete zur Waffe, um sich das nötige Fleisch zu beschaffen, doch dann steckt er sie wieder weg. Es ist ein entscheidender Punkt des Films. Mohammend realisiert, dass die ihn umgebene Natur ihm nicht feindlich eingestellt ist. Die Rehe und Wölfe werden ihn nicht angreifen. Erst danach kann sich Mohammed dazu hinreißen lassen im vielleicht merkwürdigsten Moment des Films wie ein Wolfsjunges Milch aus den Brüsten einer ohnmächtigen Passantin zu saugen. Der Mensch wird zum Tier, folgt seinen Instinkten und geht vollkommen in der Natur auf.

Skolimowski beweist sein Können, indem er mit zarten Tracking-Shots arbeitet und seiner Beobachtung auch den Platz für traumartige Rück- und Vorblenden einräumt. In den Rückblenden sieht man äußerst schemenhaft und fast nichtssagend Momente aus Mohammends früherem Leben. Straßenzüge und Zimmer und das alles mit Koranversen unterlegt. Das wesentlich interessantere sind die Vorblenden. Skolimwoski kündigt in unregelmäßigen Abständigen den weiteren Verlauf von Mohammeds Flucht an. So erfährt der Zuschauer, dass er blutübertrömt auf einem Pferd sitzen wird, bevor man sieht, wie es dazu kommt. Essential Killing ist kantig und sperring. Er zeigt sich widerspenstig, wenn es darum geht, ihn vorschnell in gewissen formale Schubladen zu packen.

Hinzu kommt eine beeindruckende darstellerische Leistung von Vincent Gallo, der allein durch seine schiere Körperlichkeit den ganzen Film tragen muss.

Man sollte nicht den Fehler machen, zu viel in das zeitgeschichtliche Umfeld hinein zu interpretieren, wozu die rudimentäre Exposition des Drehbuchs verführt. Essential Killing ist kein Film über die geheimgehaltenen Folter- und Verhöreinrichtungen der USA in Polen und Tschechien. Nein, Skolimowski erweist sich einmal mehr als eigenwilliger Stilist, der nicht mehr verabscheut als eine moralinsaure Geschichte zu erzählen. Sein Film schildert erbarmungslos eine Reise ohne Ziel, einen Kampf ums sprichwörtliche Überleben.

Essential Killing

Selten war es leichter einen Film auf den Punkt genau zusammenzufassen. Jerzy Skolimowskis „Essential Killing“ zeigt, wie ein Taliban Mohammed (Vincent Gallo) aus der afghanischen Wüste in ein polnisches Verhörgefängnis gebracht werden soll und unterwegs fliehen kann. Das zum Inhalt. Der Rest ist die oft rohe und brutale Darstellung eines existenziellen Überlebenskampfes.
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