Es war einmal in Deutschland... (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Ohne Lügen wäre das Leben nicht zu ertragen

Ein dreibeiniger Hund läuft zu Beginn von Es war einmal in Deutschland… durch eine kleine Siedlung von Baracken. Es ist ein Lager in Frankfurt im Jahr 1946, genauer gesagt ein Durchgangslager, in dem Juden wohnen, die aus dem Konzentrationslager oder dem Ausland nach Deutschland zurückgekehrt sind, zumindest für einen Zwischenhalt. Vorübergehend lebt dort auch David Bermann (Moritz Bleibtreu), der wie die meisten wohl in die USA auswandern will. Aber dafür braucht man Geld. Bermann hat eine Geschäftsidee: er ist überzeugt, dass die Deutschen nun insbesondere Wäsche brauchen, Handtücher, Bettlaken aus Leinen und Damast.

Allerdings hat ihm die US-Militärverwaltung eine Lizenz verweigert, weil sie einige Fragen zu seiner Rolle im Dritten Reich hat. Doch in dem Lager lernt der findige Bermann eines Nachmittags Holzmann (Mark Ivanir) kennen, der ebenfalls in die USA auswandern will und dem das Geld fehlt. Also beantragt Holzmann die Lizenz und Bermann steuert Kontakte und Waren bei. Zusammen mit den jüdischen Verkäufern Fajnbrot (Tim Seyfi), Fränkel (Anatole Taubmann), Verständig (Hans Löw), Szoros (Mál Mácsai) und Krautberg (Václav Jakoubek) starten sie ihr Geschäft, gehen von Tür zu Tür und verkaufen ihre Wäschepakete. Hinzu kommt ein weiterer Handlungsstrang, in dem sich zeigt, dass Sam Garbarski mit Es war einmal in Deutschland... nicht nur einen Roman von Michel Bergmann adaptiert hat, sondern sein Film die beiden Romane Die Teilacher und Machloikes verbindet: Hier muss sich Bermann regelmäßigen Befragungen durch die amerikanische Militärpolizei in Person von Sara Simon (Antje Traue) unterziehen, die ihn wenigstens für einen Kollaborateur hält.

Schaut man alleine den Trailer von Es war einmal in Deutschland…, stellt sich ein mulmiges Gefühl ein: ein Film, der davon erzählt, wie Juden durch clevere Geschäfte und findige Tricks mit dem Vertreterverkauf von Wäsche zu Geld kommen, scheint sehr an Vorurteilen angelehnt. Im Gegensatz beispielsweise zu Monsieur Claude und seine Töchter aber legt der Film diese Vorurteile offen, ja, er bricht sie sogleich in den Szenen selbst, teilweise durch bitteren Humor. So wird einmal beklagt, dass Bermann noch den guten Ruf der Juden beschädige, woraufhin dieser entgegnet, seit wann sie in Deutschland einen guten Ruf hätten. Schon die eingeblendete Texttafel zu Beginn verweist auf den humoristischen Grundton, ist dort doch zu lesen, dass alle Ereignisse so stattgefunden haben und sollten sie es nicht, hätten sie so stattfinden können. Es ist die Prämisse des Films, dass nicht alles hundertprozentig der Wahrheit entspricht, denn ohne Lügen, so sagt Bermann einmal, wäre das Leben nicht zu ertragen. Nicht immer gelingt der bissige Witz, aber diesen Schwächen steht eine hochinteressante Geschichte gegenüber, die bisher noch nicht im Kino erzählt wurde: Wie lebten Juden nach der Befreiung aus den Konzentrationslagern in Deutschland unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges? Wie war es, wieder in diesem Land in Freiheit zu sein, unter Deutschen zu leben, womöglich Nazis zu begegnen?

Durch die sieben Verkäuferfiguren ist der Film grundsätzlich als Ensemblefilm angelegt, sie stehen für sieben verschiedene Schicksale, Leidensgeschichten, Erfahrungen und nun Reaktionen auf diese Situation. Durch die Vermengung mit der Befragung entsteht aber eine Prominenz von Bermann, durch die Regisseur Sam Garbarski die Möglichkeit zu mehr Emotionen, zu mehr Verbindungen verpasst. Sicherlich wird dadurch deutlich, welche Erfahrungen der selbstsicher auftretende Mann, der stets einen Witz zu erzählen weiß, durchgemacht hat. Es sind Witze, die mehrfach sein Überleben, sein Weiterleben ermöglicht haben. Aber es stellt sich dennoch zunehmend das Gefühl ein, dass mehr möglich gewesen wäre, dass insbesondere bei Mark Ivanirs Holzmann immer noch mehr zu erahnen ist in diesem Gesicht, das gleichermaßen fröhlich und unfassbar traurig sein kann. Zudem wird wie zuletzt in einigen Historienfilmen durch die Kulissen, die zu sauber und zu konstruiert sind, die Einfühlung in die Situation erschwert.

Insgesamt aber lässt Es war einmal in Deutschland… nicht nur die verschiedenen Schicksale erahnen, sondern auch die besondere Rolle, die Humor und Lügen in dieser Zeit für einige gespielt hat. Denn wenn sich Bermann nicht manches zurechtgelogen hätte, hätte er diese Zeit nicht überlebt.

Es war einmal in Deutschland... (2017)

Ein dreibeiniger Hund läuft zu Beginn von „Es war einmal in Deutschland…“ durch eine kleine Siedlung von Baracken. Es ist ein Lager in Frankfurt im Jahr 1946, genauer gesagt ein Durchgangslager, in dem Juden wohnen, die aus dem Konzentrationslager oder dem Ausland nach Deutschland zurückgekehrt sind, zumindest für einen Zwischenhalt.

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Meinungen

Cantate · 21.12.2019

Ein in Teilen ganz guter Film mit einigen auch schauspielerisch ganz guten Szenen. Letztlich hat der mich aber nicht vollkommen überzeugt oder bewegt. Der Versuch, sich einer Katastrophe mit den Mitteln der Komödie zu nähern ist immer etwas zwiespältig. Meiner Ansicht nach kann das in der Literatur durchaus funktionieren, aber im Film ist es schwierig. Nicht für jeden passen die Bilder zur Emotion.

Fotula Gianakopoulou · 17.04.2017

Die tragische Zeiten haben viele Facetten und es ist sehr menschlich gezeigt: die Schwächen, die Lügen, das Lachen der anderen wenn wir selbst nur weinen werden...