Ein Mann namens Ove (2015)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Aus dem Leben eines Pedanten

Was ist das bloß, mit den Skandinaviern und den grantigen alten Männern? Nach dem weltweiten Erfolg des Buches und der Adaption Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand kam Hier ist Harold über einen missgestimmten älteren Herren, der nach der Pleite seines Möbelgeschäfts IKEA-Gründer Ingvar Kamprad entführte, der finnische The Grump über einen übelgelaunten älteren Herren, der seinem Sohn und seiner Schwiegertochter auf die Nerven geht, und nun Ein Mann namens Ove, über einen pedantischen älteren Herren, der seinen Nachbarn auf den Geist geht. Nun könnte man meinen, weil der Hundertjährige so erfolgreich war, setzten einfach nur deutsche Verleiher auf ähnliche Filme, die dann hierzulande gut laufen. Aber nein: Während die Franzosen auf Wohlfühl-Arthouse-Filme mit Protagonisten „in den besten Jahren“ vertrauen, locken die Skandinavier und insbesondere die Schweden mit grantigen alten Männern mehr der so wichtigen Ü-50-Zuschauer in die Kinos. Bei Ein Mann namens Ove ging die Rechnung auf: Der Film hatte in Schweden mehr Zuschauer als Star Wars: Episode VII — Das Erwachen der Macht.

Dafür gibt es drei Gründe: Erstens hat sich die Buchvorlage von Fredrik Backman – ebenso wie Jonas Jonassons Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand – sehr gut verkauft. Zweitens ist die Hauptrolle mit Rolf Lassgård besetzt, einem wenigstens in Schweden und Deutschland sehr populären Schauspieler. Und drittens ist Ein Mann namens Ove ein Film, der niemandem wirklich weh tut.

Ove führt ein geregeltes Leben: Jeden Morgen kontrolliert er in der verkehrsberuhigten Eigenheimsiedlung, in der er wohnt, ob alle Garagen verschlossen sind und der Müll regelgerecht getrennt ist. Ein offenstehendes Gartentor, an das womöglich noch ein Fahrrad angelehnt ist, bringt ihn zur Weißglut, bei einem durch das Wohngebiet fahrenden Auto rastet er dann vollends aus. Ove scheint der ganzen Welt gegenüber feindlich gesinnt. Aber als er dann von seinem Arbeitgeber vorzeitig in den Ruhestand geschickt wird, zeigt sich eine weitere Facette von Ove: Äußerlich gefasst nimmt er die Veränderung hin, am Grab seiner Frau verspricht er ihr, dass er bald zu ihr kommen wird. Ohne sie will er nicht mehr leben. Also fährt er wieder nach Hause und beginnt mit den Vorbereitungen seines Selbstmordes. Jedoch wird er durch die neu einziehende Familie in das Nachbarhaus gestört: Als er sich gerade im Wohnzimmer erhängen will, rumpelt ein Auto seinen Briefkasten an und er muss dem leicht ungeschickten Patrik (Tobias Almborg) beim rückwärtigen Einparken helfen. Patrik ist verheiratet mit der resoluten Parvaneh (Bahar Pars), die Ove gegenüber kein Blatt vor den Mund nimmt und ihn immer wieder herausfordert.

Die Geschichte eines pedantischen Rentners, der auf eine turbulente Familie trifft, die ihn mit persischem Essen und Lebensfreude aus seiner Routine herauslockt, ist sicherlich nicht besonders originell, aber immerhin gibt es im Film einige eigensinnige Ansatzpunkte. Beispielsweise werden die für eine erbauliche Komödie unverzichtbaren Rückblenden zur Kindheit und den früheren Jahren Oves durch die Selbstmordversuche eingeleitet: Sobald Ove beginnt, das Bewusstsein zu verlieren, setzt die Erinnerung ein. Darüber hinaus zeigt sich sehr früh, dass Ove neben seiner Pedanterie auch eine sanfte, unbeholfene Seite hat, die sich insbesondere gegenüber seiner Frau Sonja (Ida Engvoll) gezeigt hat. Mit ihrem Tod scheinen diese hilfsbereiten Züge verschwunden zu sein, aber Parvaneh bringt sie wieder zum Vorschein. Anscheinend erkennt sie sofort, dass sich hinter Oves grantiger Fassade mehr verbirgt – und Bahar Pars‘ Schauspiel verhindert, dass diese Rolle in Klischees versinkt. Vielmehr verleiht sie ihr viel bodenständigen Charme, der der Beziehung zu Ove zudem eine gute Basis gibt. Dagegen gelingt es Rolf Lassgård in zu wenigen Momenten, die Nuance zwischen lautem, tapsigem Grantlertum und Mann mit Herz zu finden. Das ist umso bedauerlicher als die Beziehung zwischen Ove und Parvaneh eigentlich das Herz dieses Films ausmacht. Die Momente, die mit ihnen innerhalb des begrenzten Kosmos der Eigenheimsiedlung spielen, sind die stärksten des Films. Doch Lassgård und vor allem die gelbgefilterten Rückblenden lassen zu wenig Raum für Nuancen. Am Ende wartet dann noch der große dramatische Zwischenfall, der Oves Leben für immer verändert hat – inklusive pathetischer Musik. Doch das hätte nicht sein müssen. Manchmal passieren die lebensverändernden Dinge nämlich auch im Kleinen, im Alltäglichen, ohne große Verwicklungen. Und das hätte zu diesem Film sehr viel besser gepasst.
 

Ein Mann namens Ove (2015)

Was ist das bloß, mit den Skandinaviern und den grantigen alten Männern? Nach dem weltweiten Erfolg des Buches und der Adaption „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ kam „Hier ist Harold“ über einen missgestimmten älteren Herren, der nach der Pleite seines Möbelgeschäfts IKEA-Gründer Ingvar Kamprad entführte, der finnische „The Grump“ über einen übelgelaunten älteren Herren, der seinem Sohn und seiner Schwiegertochter auf die Nerven geht, und nun „Ein Mann namens Ove“, über einen pedantischen älteren Herren, der seinen Nachbarn auf den Geist geht.

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