Ein Hologramm für den König (2016)

Eine Filmkritik von Thorsten Hanisch

Fluffiger Sommernachtstraum

Bei Literaturverfilmungen wird meist reflexhaft die „Das-Buch-war-aber-besser“-Karte gezückt, was natürlich im Grunde genommen Blödsinn ist, da es sich um zwei grundverschiedene Medien mit völlig unterschiedlichen Funktionsweisen handelt. Bei Ein Hologramm für den König wiederum, der Tom-Tykwer-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Dave Eggers, ahnen allerdings selbst Buchunkundige spätestens in den finalen Minuten, dass das Buch vielleicht nicht zwangsläufig besser, aber zumindest ganz schön anders ist. Denn der rosarote Zuckerstreu, der hier durch den Kinosaal geblasen wird, erinnert verdächtig an Cloud Atlas, einer weiteren Literaturentschlackung, die Tykwer im Jahr 2012 zusammen mit den Wachowski-Geschwistern (Matrix I-III) fabrizierte. Zwar nicht in Hollywood hergestellt, aber beherrscht von hollywoodscher Gefallsucht, garniert mit einem Sahnespritzerchen „Yes you can!“-Attitüde. Kaum vorzustellen, dass sich derlei Klebebrei auch nur ansatzweise in der Vorlage eines Autors wiederfindet, der in den letzten Jahren immer wieder mit Literaturpreisen in Verbindung gebracht wurde.

Erzählt wird die Geschichte von Alan Clay (Tom Hanks), einem alternden Geschäftmann, der wegen der Bankenkrise kurz vor dem finanziellen Absturz steht. Doch Rettung naht, vielleicht: Für eine IT-Firma muss er einen millionenschweren Deal im Nahen Osten abwickeln. Mitten in der Wüste soll eine Wirtschaftsmetropole hochgezogen werden und Clay hat die Aufgabe, den saudischen König Abdullah von einem holografischen, für die Stadt nützlichen Kommunikationssystem zu überzeugen. Allein mit der Provision dieses Geschäfts könnte sich der Mann am Abgrund die drückenden Schulden von der Schulter wischen. Doch im Land angekommen, entwickeln sich die Dinge anders als erwartet: Nicht nur, dass ihm die Hitze schwer zu schaffen macht, die Wirtschaftsmetropole besteht aus wenig mehr als einem Musterhaus, das Internet bricht ständig weg und der König kommt und kommt einfach nicht. Die Zeit ist allerdings trotzdem nicht verschwendet, denn Clay wird mit ein paar Lebensweisheiten und der schönen Ärztin Zahra (Sarita Choudhury) belohnt.

Die Globalisierung und ihre Auswirkungen werden hier auf ein Einzelschicksal herunter gebrochen. Das ist an sich eine reizvolle Ausgangslage, die von Eggers auch entsprechend genutzt wird, aber im Film fängt das Problem schon mit der überlebensgroßen Leinwandpersona von Tom Hanks an: Es fällt mittlerweile ganz schön schwer, diesem Giganten des US-Kinos trotz Durchschnittsgesicht einen Durchschnittsmenschen abzukaufen, der sich in einer existentiellen Krise befindet. Zumal Hanks seine Figur über weite Teile so anlegt, wie man sie vom Komödien-Tom-Hanks gewohnt ist: charmant, aber immer zwei Zentimeter tollpatschig-verzweifelt neben der Spur. Die wenigen ernsten Szenen brechen da regelrecht weg: Massenentlassung? Outsourcing? Existenznot? Alles winzigkleine Einsprengsel, die spüren lassen, dass sich hinter dieser Geschichte noch eine weitere verbirgt.

Tykwers Film ist jedoch weitaus mehr am leicht bekömmlichen Culture Clash interessiert. Hanks stolpert zusammen mit seinem ständig witzelnden Klischee-Taxifahrer Yousef (Alexander Black) durch ein fremdes Land und alles ist zwar wunderschön, aber auch reichlich merkwürdig. Aber hey, da gibt’s ja noch die hübsche Ärztin Zahra, eine völlig unterentwickelte Figur, die eigentlich nur dazu da ist, den exotisch-geheimnisvollen Deckel zu Toms Topf zu geben und den Film zu einem perwollweichen Ende zu führen, dass die Zuschauer mit Knuddel-Messages („Wir sind alle gleich!“, „Es ist nie zu spät für einen Neuanfang!“) auf Wolken wieder in den ätzenden Büro-Alltag spazieren lässt.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ein Hologramm für den König ist nicht per se verdammenswert, nein, gar nicht, ein echtes Werk fürs Kino. Die Bilder von Tykwers Haus- und Hofkameramann Frank Griebe sind wirklich zauberhaft und sollten auf der größten aller großen Leinwände genossen werden. Und mit Sicherheit hat jeder mal Phasen, in denen man sich von so einem fluffigen Sommernachtstraum einseifen lassen will. Allerdings nicht allzu oft.
 

Ein Hologramm für den König (2016)

Bei Literaturverfilmungen wird meist reflexhaft die „Das-Buch-war-aber-besser“-Karte gezückt, was natürlich im Grunde genommen Blödsinn ist, da es sich um zwei grundverschiedene Medien mit völlig unterschiedlichen Funktionsweisen handelt. Bei „Ein Hologramm für den König“ wiederum, der Tom-Tykwer-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Dave Eggers, ahnen allerdings selbst Buchunkundige spätestens in den finalen Minuten, dass das Buch vielleicht nicht zwangsläufig besser, aber zumindest ganz schön anders ist.

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Meinungen

Sascha · 13.07.2016

Die Kritik von Hr. Hanisch gibt es eigentlich gut wieder. Tolle Bilder, guter Tom Hanks, Story Durchschnitt. Halt eine "nette Fingerübung" von Tom Tykwer.