Ein Geschenk der Götter

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Welttheater, Theater und Welt

Ein bisschen was von britischer Sozialkomödie dringt in diesen Film ein, von Bergarbeitern, die sich ausziehen, Sie wissen schon. Aber es geht gesitteter zu: Wir befinden uns in Ulm, am Theater. Während einer Verstellung wird Anna Bischoff, gekleidet in ihrer Rolle als Hausmädchen, gefeuert.
„Ach, mich schmerzt das am meisten“, schwadroniert der Intendant, „aber deine Kunst darf hier doch nicht versauern“ etc., sprich: Mit dem Ende des Vertrags tue man ihr ja letztendlich etwas Gutes.

Das Ende des Vertrags führt sie zum Arbeitsamt, Verzeihung: zum Jobcenter. Wo die dortige Chefin als begeisterte Theaterenthusiastin und Mitglied im Förderverein sie sogleich erkennt. Und eine super Idee hat: Wo Arbeitslose auf die Teilnahme an einem PC-Kurs warten, soll nun Anna ihnen ein bisschen Theatertricks beibringen, Körpergefühl, Sprache, ist ja auch ganz wichtig auf dem Beschäftigungsmarkt. Die Computer nämlich fehlen, und die Leute müssen aus der Statistik in eine Maßnahme outgesourct werden.

Ein elender Haufen an Arbeitslosen und eine arbeitslose Schauspielerin: Es ist ein Akt der Verzweiflung, in dem alle ihre Rolle spielen. Der dicke, alte, bodenständige Schwabe wie der junge Widerborstige, der nicht richtig lesen kann, die dicke Ungepflegte und die junge Hoffnungsvolle, die nebenbei beim Friseur sich im unbezahlten Praktikum ausbeuten lässt, der aggressive Proll und der stolze Grieche. Und die vollkommen eingeschüchterte und in ihre Situation geworfene Anna, die ein paar Schauspielübungen mit ihnen macht; und die gefangen ist in der Maßnahme, aber frei in der Kunst.

Antigone: Das, so beschließt sie, könne man ja mal einstudieren. Und nach anfänglichen Holprigkeiten; nach persönlichen Aggressionen; nach dem offiziellen Ende der Maßnahme — da die Mittel für die PCs endgültig gestrichen werden, der Staat hat ja kein Geld, wird auch der Kurs gestrichen und privat in einer alten Schreinerwerkstatt fortgeführt -, nach all diesen Hindernissen reißt die Theaterbegeisterung mit, jenseits jeder ökonomischen Vernunft und jedes Arbeitsmarktzwanges siegt die Kunst über das Leben.

Oliver Haffner stützt sich auf seine eigenen Theatererfahrungen als Regisseur; und auf seine gesellschaftlichen Beobachtungen in einem durchökonomisierten Zeitgeist. Auf, wie kann man sagen, angenehme Weise feiert er das Theater, die Kunst; und zwar mit sozialem und politischem Bewusstsein. Zwar wirkt eine kleine Liebesgeschichte, die der Film seiner Hauptfigur angedeihen lässt, allzu aufgesetzt; und vielleicht geht auch alles etwas zu glatt vonstatten, um als Film wirklich große Kunst zu sein. Doch andererseits setzt er die filmischen Mittel von Schauspiel und Montage sehr geschickt und sehr bewusst ein, mit großen Momenten, die er seinen Darstellern schenkt; und mit einigen sehr klug geschnittenen Sequenzen, in denen ganz unaufdringlich der Film sozusagen mit seinen Figuren solidarisch wird, durch Blicke auf die Abseitsstehenden, auf die, die in der Szene gar keine Rolle spielen und eben doch da sind und geachtet werden wollen. Der Blick auf die, die unbeachtet sind: Das spielt der Film im Großen der Handlung wie im Kleinen der Filmmontage durch.

Ein Geschenk der Götter

Ein bisschen was von britischer Sozialkomödie dringt in diesen Film ein, von Bergarbeitern, die sich ausziehen, Sie wissen schon. Aber es geht gesitteter zu: Wir befinden uns in Ulm, am Theater. Während einer Verstellung wird Anna Bischoff, gekleidet in ihrer Rolle als Hausmädchen, gefeuert.
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Meinungen

Herrmann · 14.10.2014

Absolut sehenswert !!! Habe den Film bei seiner Premiere im Arri Kino gesehen und jetzt ein 2. Mal im Atelier.
Ein wunderbarer Film - humorvoll, rücksichtsvoll, nachhaltig.
Ein Film für die Arbeitslosen und nicht auf Kosten derer. Er entspannt das Thema, ohne ins Lächerliche zu ziehen und macht auch Mut. Super Unterhaltung, selten so befreiend und spontan gelacht.
Falls es einmal eine DVD gibt, werde ich mir diese kaufen.

marie · 13.10.2014

Ein sehr einfuehlsamer film und sehr humorvoll!

Gabi · 12.10.2014

Tränen gelacht und auch geweint !!!
Wer kommt denn auf solche Drehbücher und Ideen?

Hervorragende Schauspieler,
absoluter sehenswerter Low Budget Film,
für mich ein Kultfilm!

Martin H. · 12.10.2014

Witzig und schräg mit Tiefgang