Dunkelblaufastschwarz

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leben, hautnah

Spanien kommt, und zwar gewaltig: Nachdem lange Zeit in den europäischen Arthouse-Kinos fast nur Pedro Almodovár wahrgenommen wurde, steht nun eine neue junge Generation von Filmemachern bereit, um sich ihren Platz im europäischen Film zu erkämpfen. Fernando León de Aranoas Princesas / Prinzessinnen ist ein Beispiel für den frischen Wind im iberischen Kino und auch Manuel Huergas’ Salvador – Kampf um die Freiheit / Salvador Puig Antich verdeutlicht den inhaltlichen und künstlerischen Aufwärtstrend. Mit Dunkelblaufastschwarz / AzuloscuroCasinegro von Daniel Sánchez Arévalo meldet sich nun abermals ein junger spanischer Regisseur zu Wort und legt einen Debütlangfilm vor, der sich sehen lassen kann.
Eigentlich hat der junge Madrilene Jorge (Quim Gutiérrez) mit seinem BWL-Abschluss in der Tasche ja die besten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, doch statt in einem angemessenen Beruf arbeitet er „nur“ als Hausmeister und pflegt nebenbei noch seinen demenzkranken Vater, für dessen Schicksal er sich verantwortlich fühlt. Doch es ist nicht allein sein übergroßes Verantwortungsgefühl, das ihn davon abhält, auf eigenen Beinen zu stehen und die Herausforderungen des Lebens anzunehmen, zugleich scheint sich Jorge auch selbst nicht darüber im Klaren zu sein, was er mit seinem Leben anfangen soll. Und da bietet die Erkrankung des Vaters eine willkommene Entschuldigung, sich den anstehenden Entscheidungen zu verweigern. Und Jorges Lähmung bezieht sich nicht allein auf seinen Beruf, sondern betrifft ebenso sein Privatleben, in dem er durchaus die Möglichkeit hätte, mit seiner Nachbarin Natalia (Eva Pallarés) anzubändeln, doch auch hier zeigt er sich zögerlich und abwartend. Dann aber passiert etwas Unvorhergesehenes, das sein Leben von einem Tag auf den anderen verändert: Jorges Bruder Antonio (Antonio de la Torre) nämlich sitzt im Knast und hat dort Paula (Marta Etura) kennen gelernt, die ebenfalls inhaftiert ist. Da die junge Frau unter den Quälereien der Mitinsassinnen leidet, soll Paula nun schwanger werden, um eine Verlegung auf die Mutter-Kind-Abteilung des Gefängnisses zu erzwingen, doch Antonio ist unfruchtbar und so bittet er seinen Bruder, für ihn einzuspringen. Ein Wunsch, der ungeahnte Folgen nach sich zieht…

Dass sich viele Kritiker bei Daniel Sánchez Arévalos Dunkelblaufastschwarz / AzuloscuroCasinegro an die Filme Pedro Almodovárs erinnert fühlen, liegt nicht allein an Antonio de la Torre, der in Volver — Zurückkehren die einzige nennenswerte männliche Figur spielte, sondern auch an dem großen Grundthema Familie, an der Art der Figurenzeichnung und vielem anderem mehr. Trotz gewisser Ähnlichkeiten mit dem großen Meister entwickelt der Regisseur in seinem Spielfilmdebüt aber einen prägnanten eigenen Stil und versteht es, mit seiner Geschichte, die zwischen Tragik und Komik balanciert, punktgenau das Lebensgefühl und den Zeitgeist vieler junger Menschen in Spanien einzufangen. Ein berührender und trotz seiner Konstruiertheit äußerst lebensnaher Film über die Suche nach dem eigenen Weg und über die Schwierigkeiten, diesen Weg dann auch einzuschlagen. Unbedingt sehenswert!

Dunkelblaufastschwarz

Spanien kommt, und zwar gewaltig: Nachdem lange Zeit in den europäischen Arthouse-Kinos fast nur Pedro Almodovár wahrgenommen wurde, steht nun eine neue junge Generation von Filmemachern bereit, um sich ihren Platz im europäischen Film zu erkämpfen.
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Meinungen

Helmut Schiestl · 26.08.2007

Ich fand den Film sehr konstruiert. Und weiters stellt sich mir dabei die Frage, ist der Strafvollzug in Spanien wirklich so liberal wie im Film dargestellt. Nicht nur, dass Paula mit ihrem Mithäftling Sex in einem geschützten Raum haben kann, auch dessen Bruder kann das dann, obwohl er sie ja überhaupt nicht kennt. Das ist doch, wie gesagt, alles sehr konstruiert und märchenhaft.

Snacki · 11.06.2007

Sehr almodovaresk :-)