Doppelleben

Eine Filmkritik von Hannah Grote

Wer ist Angela Merkel - und wenn ja, wie viele?

„Für mich war es wie ein Schlag ins Gesicht!“ – denn wer möchte schon aussehen wie Angela Merkel?! Aus diesem Grund lehnte Susanne Knoll das Angebot, als deren Doppelgängerin zu arbeiten, im ersten Augenblick geradewegs ab. Doch der Drang sich zu verändern, war bei der Lübecker Hausfrau schlussendlich größer als das Misstrauen. Und so wurde sie schließlich dann doch nach einigem Zögern die erste Doppelgängerin Angela Merkels.
Die dreifache Mutter wird bei ihrem beruflichen Werdegang von ihrem Manager unterstützt, der seiner Meinung nach eigentlich sowieso die ganze Arbeit macht und mehr für den Erfolg verantwortlich ist, als Susanne Knoll selbst. Aber groß angeben will er ja nicht, so behauptet er zumindest, während er in seinem Oldtimer durch die Straßen fährt.

Douglas Wolfspergers überaus charmanter Dokumentarfilm Doppelleben erzählt nicht allein von Susanne Knolls Höhen und Tiefen als Merkel-Double, sondern auch von deren größter Konkurrentin, Marianne Schätzle, welche ebenfalls versucht, sich einen Namen in der Branche zu machen. Der Neid und der Konkurrenzkampf der beiden ehrgeizigen Frauen sind groß, ebenso wie der Drang nach einem Alleinstellungsmerkmal – was gerade bei Doppelgängerinnen, deren Kerngeschäft ja gerade in der Ähnlichkeit besteht, gar nicht so einfach ist.

Solche Probleme sind Lothar Wunderlich alias Bill Clinton fremd. Zufrieden mit sich (als Bill Clinton) und der Welt scheint er in seiner neuen Rolle voll und ganz aufzugehen. Wenn er allerdings zugibt, schon einige Rechnungen mit ‚Bill Clinton‘ unterschrieben zu haben, fragt man sich dann doch: Ist das noch normal? Wo liegen die Grenzen zwischen Schauspiel und einer Art Schizophrenie? Wie weit sollte sich ein Double mit seiner Rolle identifizieren?

Genau diese Gratwanderung auf der Suche nach der eigenen und der fremden Identität zeigt Wolfsperger auf tragikomische Weise. Während die einen es vermeiden, auch im privaten mit der kopierten Person in Bezug gebracht zu werden, legen andere es geradezu darauf an. Susanne Knoll für ihren Teil wird von Freunden und Bekannten nur noch „Angie“ gerufen und Lothar verfällt in Gesprächen mit seinem Manager auch gerne mal in den mühsam antrainierten Clinton-Slang. Die angenommenen Rollen sind manchem zu einer zweiten Haut geworden, der man nicht immer entkommen kann.

So verwundert es nicht, dass am Ende eines der drei Doubles die Karriere aufgibt, da es sich von sich selbst entfernt hat. Stattdessen führt der Weg des ehemaligen Politikerdoppelgängers… in die Politik. Ist das wirklich Zufall oder kann hier vielleicht jemand doch nicht so sehr aus der Rolle, die das bisherige Leben teilweise prägte?

Abgesehen von einem Einblick in den Beruf des Doppelgängers ermöglicht Wolfsperger es dem Zuschauer, die politischen Ansichten und Reaktionen der Bevölkerung aus einem anderen, vorwiegend ironischen Blickwinkel zu betrachten, was immer wieder für merkwürdige Szenarien sorgt: Bei einer Diskussion Frau Schätzles mit einem Atombefürworter entgeht diesem in seiner Rage scheinbar, dass vor ihm nicht die echte Kanzlerin sitzt. Und auch die Protestanten auf einer Anti-AKW Demonstration staunen nicht schlecht, als sich Angela Merkel plötzlich zu ihnen gesellt.

Erneut überzeugt Douglas Wolfsperger mit einer Dokumentation, deren Thema mitten aus dem Leben stammt. Ein Gutteil des Reizes, den Doppelleben vermittelt, liegt auch an den Bildern, die der Regisseur findet – sie besitzen Weite und ausgeklügelte Einstellungen und erinnern oftmals eher an einen Spielfilm. Damit erinnern sie stark an Wolfspergers frühere Filme Bellaria – Solange wir leben (2002) und Die Blutritter (2003), die ästhetisch ähnlich ausgefeilt arrangiert waren. Allerdings liegt in der Stärke des Films auch einer der wenigen Schwachpunkte: Unter den gelegentlich inszeniert wirkenden Szenen leidet die Glaubwürdigkeit mancher Passagen dann doch ein wenig.

Dies betrifft aber nicht die Protagonisten selbst – im Gegenteil. Als Zuschauer leidet und lacht man gemeinsam mit den Doppelgängern über ihre Rückschläge und Erfolge bei ihren Auftritten im Blitzlicht, ohne dass diese oder ihre Tätigkeit dabei ins Lächerliche gezogen werden würden. Und so bleibt am Ende des Films vor allem ein Eindruck im Gedächtnis haften: Dass so mancher Schlag ins Gesicht sich später einmal in etwas überaus Positives verwandeln kann. Eine Lehre, die man als Zuschauer gerne mit nach Hause nimmt.

Doppelleben

„Für mich war es wie ein Schlag ins Gesicht!“ – denn wer möchte schon aussehen wie Angela Merkel?! Aus diesem Grund lehnte Susanne Knoll das Angebot, als deren Doppelgängerin zu arbeiten, im ersten Augenblick geradewegs ab. Doch der Drang sich zu verändern, war bei der Lübecker Hausfrau schlussendlich größer als das Misstrauen. Und so wurde sie schließlich dann doch nach einigem Zögern die erste Doppelgängerin Angela Merkels.
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