Don't Breathe (2016)

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Minimalistische Genre-Perle

Wahrscheinlich haben nicht viele damit gerechnet, dass Sam Raimis Evil-Dead-Reihe einmal würdig weitergeführt werden würde. Das es möglich ist, hat 2013 der junge Regisseur Fede Alvarez allerdings bewiesen. Ein Glückstreffer? Ganz und gar nicht. Mit seinem neuen Film, dem nervenaufreibenden Thriller Don’t Breathe, präsentiert sich Alvarez erneut als Kenner und Könner und zeigt, dass im Horror-Genre immer noch etwas geht.

Leise Menschen, nun ja – sind nicht besonders laut. Aber manchmal sind selbst die wenigen Geräusche, die sie verursachen, schon einige tödliche Dezibel zu viel. So ergeht es einem Trupp berufsmäßiger Schleicher, die sich in dieser Nacht das falsche Haus ausgeguckt haben: Als die drei Einbrecher Alex (Dylan Minnette), Rocky (Jane Levy) und Money (Daniel Zovatto) in das Haus eines blinden Kriegsveteranen (Stephen Lang) einsteigen, der nach dem Unfalltod seiner Tochter ein hohes Schmerzensgeld bekommen haben soll, ahnen sie noch nicht, dass das im Haus versteckte Bare kein leichtverdientes Geld ist. Oder anders gesagt: Die drei machen einen ganz, ganz großen Fehler.

Don’t Breathe ist nicht etwa gut, weil Alvarez hier etwas völlig Neues aufbietet. Der Film ist eher ein süffisantes Spiel mit Genre-Elementen. Es ließ sich aus dem Stegreif eine ganze Reihe von Filmen nennen, die mit ähnlichen Topoi jongliert. Doch während meist die Eindringlinge die Bösen sind, liegt der Fall hier anders. (In dieser Hinsicht erinnert der Film auch ein wenig an Livide von Julien Maury und Alexandre Bustillo.) Wer jetzt denkt, Alvarez würde ohne eigene Ideen antreten oder er habe es hier mit einem Meta-Film zu tun, der sich selbstgefällig in Zitaten suhlt, irrt. Der junge Regisseur und Drehbuchautor nimmt seinen Stoff verdammt ernst, und man hat nie das Gefühl, er würde nur zeigen wollen, dass er die Vorlagen kennt. Nein, Alvarez lebt und atmet seinen Stoff – und liefert einen stylishen Thriller, bei dem von der ersten bis zur letzten Minute die Daumenschrauben so festsitzen, wie wohl bei keinem anderen Film des Jahres.

Verdammt spannend und gleichzeitig hübsch anzusehen – ist damit alles über Don’t Breathe gesagt? Obwohl das sicherlich das Wesentliche ist: Nein. Denn weiterhin fallen die „Helden“ des Films ins Auge – oder vielleicht besser gesagt: ihr Fehlen. Alvarez’ Film zeichnet sich wie schon der Vorgänger durch eine interessante Charakterwahl aus, bei dem die Figuren zwar skizzenhaft bleiben, aber durchaus bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar sind. Doch sie agieren in auffälliger Weise fernab üblicher Gut-Böse-Klischees. Hier sind alle Täter und Opfer zugleich. In dem kleinen Cast überzeugen Jane Levy, die schon als Protagonistin des Evil-Dead-Remakes einen sehr guten Eindruck hinterließ, und vor allem der aus zahlreichen Nebenrollen gut bekannte Stephen Lang, der als blinder Veteran eine vielschichtige Performance zeigt, die ihm hoffentlich den Weg zu weiteren wichtigen Rollen ebnet.

Zum Fede Alvarez selbst muss natürlich auch noch etwas gesagt werden. Bei seiner ersten Arbeit hatte sich ja bereits angedeutet, dass man es nicht mit einer Eintagsfliege zu tun haben würde. Nun zeichnet sich ein gewisser Stil, eine Handschrift ab: Sein Langfilmdebüt wie auch Don’t Breathe spielen überwiegend in geschlossenen Gebäuden. Sehr deutlich zeigt sich hier Alvarez‘ besonderes Talent, die klaustrophobische Atmosphäre des begrenzten Raumes zu inszenieren, was auch damit zu tun hat, dass er sehr viel Wert darauf legt, dass der Zuschauer die Geografie des Handlungsorts kennenlernt und sich im Laufe des Films immer besser orientieren kann. Auf diesem Wege wird man in den Film gezogen. Vergleiche mit John Carpenters (Halloween) Umgang mit dem filmischen Raum sind hier naheliegend; oder mit David Fincher (Panic Room), dessen Filme sich häufig ebenfalls durch eine „fließende Inszenierung“ und eine Auslotung des Räumlichen auszeichnen. Dass Alvarez‘ Filme beide über eine starke, weibliche Hauptfigur verfügen, ist ebenfalls erwähnenswert. Es wird spannend sein, diese Merkmale in kommenden Filmen des Regisseurs weiter im Blick zu behalten.

Das Jahr ist noch lange nicht vorbei, aber es gehört trotzdem nicht viel Mut dazu, Don’t Breathe jetzt schon als den Horrorfilm 2016 zu bezeichnen. Er ist erzählerisch effizient, trotzdem clever, vom Szenario her minimalistisch, hinsichtlich seiner Bezüge aber reichhaltig, stilistisch herausragend, trotzdem nie selbstzweckhaft oder gar selbstverliebt – vor allem aber wahnsinnig spannend. Nachdem Alvarez nun zweimal gezeigt hat, dass er sein Handwerk perfekt beherrscht, darf man sich für seinen nächsten Film vielleicht wünschen, dass er ausgetretene Pfade verlässt und seinen eigenen Weg findet. Falls nicht, ist das aber auch kein Problem, dann erwartet uns eben „nur“ eine weitere Genre-Perle.
 

Don't Breathe (2016)

Wahrscheinlich haben nicht viele damit gerechnet, dass Sam Raimis „Evil-Dead“-Reihe einmal würdig weitergeführt werden würde. Das es möglich ist, hat 2013 der junge Regisseur Fede Alvarez allerdings bewiesen. Ein Glückstreffer? Ganz und gar nicht. Mit seinem neuen Film, dem nervenaufreibenden Thriller „Don’t Breathe“, präsentiert sich Alvarez erneut als Kenner und Könner und zeigt, dass im Horror-Genre immer noch etwas geht.

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Meinungen

Martin Zopick · 10.12.2019

Drei Jugendliche brechen in das Haus eines Blinden ein, weil es leicht Beute verspricht. Sie erleben eine tödliche Vorhölle in der Dunkelheit eines großen, alten Hauses. Schier unerträgliche Spannung macht den Film zum Erlebnis, wobei wir Stufe um Stufe die L
Adrenalinleiter hochsteigen. Handfeste Auseinandersetzungen auf Leben und Tod durchziehen den ganzen Plot, mit immer neuen Tötungsvarianten. Alex (Dylan Minnette), der Anführer der Gruppe, muss als erster dran glauben, später Money (Daniel Zovatto).
Die Spannung scheint den Gipfel erreicht zu haben, als Money und Rocky (Jane Levy) eine junge Frau im Keller des Hauses entdecken. Der Blinde hat Cindy gefesselt und geschwängert. Sie soll ihm sein totes Kind ersetzen.
Bleibt für den finalen Showdown nur noch Rocky übrig. Bei ihrem Todeskampf wird Cindy vom Alten im Dunkeln erschossen. Rocky soll ihre Aufgabe übernehmen: gefesselt und hochgehängt kann sie Money gerade noch vor einer künstlichen Befruchtung retten, bevor ihn der Blinde erledigt.
Es gibt noch einen Rottweiler im Haus, der zusätzlich an der Spannungsschraube dreht. Rocky entkommt mit viel Geld, der Blinde überlebt. Man kann wieder durchatmen. Das Atemanhalten (Titel!) war die einzige Möglichkeit sich für den Blinden unsichtbar d.h. auch unfühlbar zu machen.
Spannung, die auf Atmosphäre und blutigen Kämpfen beruht, die hoch beginnt und dann stetig steigt.