Domian - Interview mit dem Tod (2015)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Durch die Nacht mit Jürgen D.

Der Tod sei das Thema seines Lebens, so beschreibt der WDR-Nachttalker Jürgen Domian zu Beginn des dokumentarischen Porträts über ihn das Leitmotiv, das auch den Titel für Birgit Schulz‘ sehenswerten Film vorgab. Mit rund 20.000 Menschen hat Domian im Laufe seiner Sendungen gesprochen, mit Lottomillionären und Mördern, Showstars und Obdachlosen, Priestern und Satanisten. Nur einen hatte er bisher noch nicht in der Leitung – den Tod höchstpersönlich. Und so beginnt Domian – Interview mit dem Tod beinahe folgerichtig mit dem fiktiven Protokoll eines ebensolchen Gesprächs.

Seit dem 3. April 1995 gibt es seine nächtliche Sendung mit dem schlichten Titel Domian nun schon und sie ist eine Erfolgsgeschichte, wie man sie in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nur selten bekommt – mit Ausnahme der Nachrichten und der Lindenstraße vielleicht. Das Erstaunliche daran: Anders als andere Erfolgsmodelle begründet sich der Erfolgs Domians nicht auf Nivellierung und Beschränkung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern auf der Kunst des Zuhörens und sanften Insistierens, die der studierte Politologie wie kaum ein Zweiter in Deutschland beherrscht. Jürgen Domian ist die Stimme und das Gesicht der Nacht geworden – als eine Mischung aus Beichtvater, Therapeut (wobei er stets sehr genau weiß, wann wirklich professionelle Hilfe angesagt ist), Vertrauter und freundlich-distanzierter Ratgeber hat er mittlerweile einen Status und eine Autorität als Gesprächsführender erreicht, den andere Talkmaster stets nur behaupten, aber niemals erlangen.

Birgit Schulz folgt in ihrem sehenswerten Porträt aber nicht nur allein Jürgen Domian, sondern lässt auch dessen reale Gesprächspartner zu Wort kommen. Dass sie diese, die sich Domian im Dunkel der Nacht und meist unter Wahrung ihrer Anonymitätt anvertrauten, überhaupt dazu bewegen konnte, in diesem Film aufzutreten, spricht Bände genug: Sie sind, so scheint es, Domian unendlich dankbar für die Dienste, die er ihnen und anderen Einsamen, Verzweifelten und Untröstlichen angedeihen lässt – und genau deswegen scheint es ihnen ein Bedürfnis zu sein, sich hier zu Wort zu melden. Auf diese Weise entsteht ein vielfaches Zwiegespräch, das gewissermaßen eine Fortsetzung der nächtlichen Talks bildet. Ergänzt durch Interviewpassagen, die während einer Reise Jürgen Domians nach Lappland aufgenommen wurden, entsteht hier ein komplexes Bild, das fernab jeglicher Lobhudelei ein stimmiges Porträt eines beeindruckenden Menschen zeichnet und das zugleich auf verschiedene Weisen über Tod, Einsamkeit und Vergänglichkeit räsoniert.

Schade ist bei diesem Film nur zweierlei: Zum einen, dass die kürzere TV-Fassung des Dokumentarfilms mit dem Titel Domian — Zwischen Tag und Nacht just einige Tage (nämlich am 2.11. 2015 um 23:15 Uhr im WDR Fernsehen) vor dem eigentlichen Kinostart zu sehen war – wenngleich es verständlich ist, dass Domians Haussender selbstverständlich von der Prominenz und völlig berechtigten Beliebtheit seines Moderators profitieren möchte. Zum anderen ist es der bedauerliche Umstand, dass Jürgen Domian angekündigt hat, mit seiner Sendung zum Ende des nächsten Jahres aufhören zu wollen. Die Nacht wird damit noch ein wenig einsamer – und dem Tod geht einer der wenigen Gesprächspartner verloren, die den Mut haben, ihn zu konfrontieren.
 

Domian - Interview mit dem Tod (2015)

Der Tod sei das Thema seines Lebens, so beschreibt der WDR-Nachttalker Jürgen Domian zu Beginn des dokumentarischen Porträts über ihn das Leitmotiv, das auch den Titel für Birgit Schulz‘ sehenswerten Film vorgab. Mit rund 20.000 Menschen hat Domian im Laufe seiner Sendungen gesprochen, mit Lottomillionären und Mördern, Showstars und Obdachlosen, Priestern und Satanisten. Nur einen hatte er bisher noch nicht in der Leitung – den Tod höchstpersönlich.

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