Die Tunisreise

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Auf den Spuren von Paul Klee

Die Kunstgeschichte ist voll von unzähligen Reisen und längeren Aufenthalten, durch die Künstler mit fremdem Bild- und Vorstellungswelten in Berührung kommen und diese neuen Einflüsse zuhause in ihr Schaffen einfließen lassen. Kaum eine Reise aber hat es je innerhalb der Kunstgeschichtsschreibung zu solch einer Bedeutung, quasi zum Status eines Mythos gebracht wie die Tunisreise, die Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet im Jahre 1914 vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges unternahmen.
Dabei war die Reise anfangs gar nicht als klassische Bildungsreise gedacht, sondern eher als lustvoller Aufbruch, der vor allem dem eigenen Vergnügen dienen sollte. Doch kaum hatten die drei Maler afrikanischen Boden betreten, waren die Pläne vergessen und die Staffeleien und Skizzenbücher bei der Hand. Vor allem Paul Klee erlebte hier einen regelrechten Schock, der sein Denken, sein Fühlen, seine gesamte Wahrnehmung und Kunstauffassung auf den Kopf stellte und zugleich eine neue Vielfalt von Farben und Formen schuf, aus der Klee in den kommenden Jahren schöpfen sollte. Allein während der Reise entstehen 44 Aquarelle und etliche Skizzenblätter Klees. Und glücklich notierte der Maler in sein Tagebuch: „Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farben sind eins. Ich bin Maler.“

Maler (und Filmemacher) ist auch der aus Tunesien stammende Nacer Khemir, mit dem zusammen der Regisseur Bruno Moll die Stationen der Tunisreise von Tunis über Hammamet bis nach Kairouan filmisch nachvollzieht. Die Wahl des Tunesiers als fachkundigem Führer durch die Kunst Klees, mit der er sich seit seinem 12. Lebensjahr eng verbunden fühlt, erweist sich als Glücksgriff für den Film. Denn Khemir ist nicht nur ein exzellenter Kenner der Werke Paul Klees, sondern auch ein begnadeter Erzähler, der den Weg der Künstler mit Leben zu erfüllen weiß. Und zugleich dringt er tiefer in das Wesen der Reise vor und zeigt den verbindenden Charakter der Reise als wahren Brückenschlag zwischen arabischer Kunst und Kultur und deren Widerschein in Europa. Gerade in unruhigen Zeiten wie diesen gerät solch eine Entdeckungsreise zu einem Politikum, das verdeutlicht, wie viel die beiden Welten miteinander verbindet. Es ist nicht nur die Kunst Paul Klees. Doch darin findet das Gemeinsame seinen vielleicht vollkommensten Ausdruck.

In ruhigen, beinahe kontemplativen Bildern und in einem Rhythmus, der der Langsamkeit des Reisens angemessen ist, ist Bruno Molls filmische Aufarbeitung der Tunisreise nicht nur ein Genuss für Kenner des Werkes von Paul Klee, sondern auch ein leiser und dennoch sehr eindrücklicher politischer Film über die Macht der Kunst, die wahrhaft Grenzen überwinden und Trennendes in Verbindendes verwandeln kann.

Die Tunisreise

Die Kunstgeschichte ist voll von unzähligen Reisen und längeren Aufenthalten, durch die Künstler mit fremdem Bild- und Vorstellungswelten in Berührung kommen und diese neuen Einflüsse zuhause in ihr Schaffen einfließen lassen.
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groove68 · 12.05.2010

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