Die singende Stadt

Eine Filmkritik von Lida Bach

Götterdämmerung in der Oper

„Ganz am Schluss stehen Menschen auf der Bühne und singen.“ Hinter den scheinbar naiven Worten des Filmemachers verbergen sich Bewunderung und Respekt. Vadim Jendreykos nüchternes Fazit beschreibt kein unbedeutendes Singspiel, sondern ein musikalisches Großereignis. Es ist die Premiere von Calixto Bieitos Inszenierung von Richard Wagners Parsifal an der Staatsoper Stuttgart. Wie aus Chaos und Kontroversen das Opernhaus als „singende Stadt“ ersteht, dokumentiert der Regisseur in seiner schillernden Inszenierung des Inszenierens.
Die Luft ist schwer von Kunstnebelschwaden und Kunstvisionen. Es kracht in der Szenerie und zwischen den Künstlern. Bühnenbilder werden konstruiert und gestürzt. Die Stimmbänder und die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt. Alles für das Ereignis, welches der Filmemacher so nüchtern beschreibt. Sein Talent dafür, in schlichter und dennoch lyrischer Form zu schildern, was Superlative und Preziosen nicht zu fassen vermögen, bewies der Vadim Jendreyko zuletzt in seinem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm Die Frau mit den 5 Elefanten. Wie Die singende Stadt den Sängern und Konzertanten, den Kostümbildnern und Bühnenarbeitern von der infernalischen Maschinerie der Unterbühne bis in die schwindelerregende Höhe des Schürböden folgt, ohne aufdringlich zu wirken, ist ein Kunststück für sich.

Die singende Stadt spürt den kleinen Geheimnisse und großen Mysterien des Opernhauses nach, ohne ihm seinen einzigartigen Zauber zu nehmen. Das Opernhaus gleicht einem lebendigen Organismus, in dessen Adern der Geist der Kunst pulsiert. Die faszinierenden Eindrücke, die Jendreykos Kamera in Werkstätten, Proberäumen und Bühnenhimmel einfängt, sind kaum weniger dynamisch und eindrücklich wie jene Bieitos. Der gleichermaßen gefeierte wie umstrittene Regisseur ist wie der Held seiner Inszenierung auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Bühnenkunst. „Was teilt dieses Werk uns heute mit? Was unseren Körpern?“, umschreibt Bieito seine unmittelbare Herangehensweise an Wagners Oper. Jenderyko lässt seine mitreißende Reportage vom Temperament Bieitos und der Opernaufführung beflügeln, ohne sich ihr gänzlich unter zu ordnen. Die singende Stadt bewahrt sich ihre eigene filmische Note.

Den Heiligen Gral der Inszenierung vermag weder der Film noch das Bühnenwerk zu erringen. Ein Triumph sind beide dennoch. Die Suche nach künstlerischer Perfektion ist spannender als es die makelloseste Opernpremiere sein könnte. Ist Die singende Stadt vollendet, löst sich die emotionale und physische Anspannung in befreienden Applaus. Schier unmöglich scheint es manchmal, dass Wagners Parsifal trotz explosiver künstlerischer Kontroversen hinter der Bühne und zermürbender Strapazen während der Proben schlussendlich erklingt. „Doch am Schluss standen Menschen auf der Bühne und sangen.“

Die singende Stadt

„Ganz am Schluss stehen Menschen auf der Bühne und singen.“ Hinter den scheinbar naiven Worten des Filmemachers verbergen sich Bewunderung und Respekt. Vadim Jendreykos nüchternes Fazit beschreibt kein unbedeutendes Singspiel, sondern ein musikalisches Großereignis.
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Meinungen

Helga Vogel · 14.02.2011

Der Titel "Die singende Stadt" schien mir nicht ganz passend, aber der Film hat mir viel gegeben - nämlich einen guten Einblick in die so vielfältigen Mühen aller Beteiligten, ob Künstler (z.B. sprachliche Übungen) oder Techniker, Handwerker ... eine gewaltige Leistung, bestehend aus einer Unmenge von Einzel-leistungen. Und dazu die privaten Befindlichkeiten - Schamgefühl, Unwohlsein in den Kostümen (Plastic). Ich sehe Opernaufführungen nun mit ganz anderen Augen. Ein bisschen mehr von der Aufführung hätte ich freilich ganz gern gesehen, aber das Konzept sah das halt nicht vor. Abschließend ist zu sagen: eine gute Idee, sich den Film anzusehen.