Die Mafia mordet nur im Sommer

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Ein mutiger Appell für Zivilcourage

In seinem Debütfilm beschäftigt sich der italienische TV-Moderator Pierfrancesco Diliberto alias Pif in komödiantischer, leicht autobiografischer Weise mit dem Einfluss des organisierten Verbrechens auf Politik und Bevölkerung seiner Heimatstadt Palermo. Schon als Regieassistent von 100 Schritte (2000) beteiligte sich Pif an einem Projekt, das eine Familienchronik mit Italiens stürmischer Historie verknüpfte. Mit Die Mafia mordet nur im Sommer geht er noch einen Schritt weiter und lässt seinen Protagonisten, teils von ihm selbst verkörpert, in Forrest Gump-Manier an wichtigen Eckpunkten der sizilianischen Verbrechenswelle der Siebziger und Achtziger auftreten.
Allerdings klammert Pif die „Roten Brigaden“ aus und lässt die Ermordung etwa von General Della Chiesa oder Richter Falcone stets von dem mürrischen Paten Salvatore „Totó“ Riina (Antonio Alveario) anordern. Nicht angesprochen werden Riinas vermutete Kontakte zu Ministerpräsident Giulio Andreotti. Jedoch wird die erste Hälfte ohnehin ganz aus den Augen eines Kindes geschildert — des naiven Arturo (Alex Bisconti), der sich die Dinge aus Legenden und Erwachsenenausflüchten zusammenreimt. Daher erklärt sich auch der Titel als Zitat des Vaters (Rosario Lisma), welcher die Ängste seines beunruhigten Filius zu zerstreuen sucht. In dieser Manier schiebt Palermos Bevölkerung zunächst alle Mafia-Hinrichtungen unglücklich verlaufenden Affären zu, bis man die Augen irgendwann nicht mehr verschließen kann.

Arturos Obsession zu Politik und Verbrechen erscheint als Bestimmung. Denn nicht allein wurde er zur gleichen Zeit wie ein Gangstermassaker gezeugt, was in einer witzigen Tricksequenz des Spermienflusses kulminiert, sondern zudem erblickte der Junge die Welt während der Ernennung des Mafioso Vito Ciancimino als Bürgermeister Palermos. Obwohl der Knabe zunächst alle Frauen fürchtet, die angeblich Ursache allen Übels sind, verliebt er sich bald unglücklich in seine Klassenkameradin Flora (Ginevra Antona). Außerdem entwickelt er eine merkwürdige Obsession für Giulio Andreotti, da dieser ihn scheinbar als Einziger zu verstehen scheint.

Nachdem Arturo immer wieder das Nachsehen gegenüber seinem Nebenbuhler Fofò hat, kreuzen sich Jahre später erneut ihre Wege. Während der angehende Journalist (Pif) für einen überheblichen Moderator arbeitet, assistiert seine Traumfrau Flora (Christina Capotondi) dem christdemokratischen Politiker Salvo Lima. Zunächst nimmt dieses Wiedersehen ebenfalls eine unglückliche Wendung.

Besonders die erste Hälfte, die völlig die Sicht des Ich-Erzählers als kindlicher Außenseiter einnimmt, wirft mit bissigem Witz den Blick auf die Verknüpfung von Politik, Justiz und Kirche. Selbst der ruppige Priester rät dem noch stummen Heranwachsenden: „Wer weniger spricht, lebt länger!“ Von einer Politikersitzung schneidet Pif über zu einer in gleicher Manier tagenden Cosa Nostra-Versammlung. Seine Mafiosi wirken allesamt wie armselige Witzbolde, doch ihre unheilvollen Befehle werden in Folge stets mit drastischen Dokumentarbildern unterstrichen. Während Pif sein Debüt anfangs den ermordeten Polizisten des mobilen Einsatzkommandos widmet, erinnert er am Ende mit Zeitungsausschnitten an die toten Politiker.

Obwohl er diesen Handlungsstrang nie aus den Augen verliert, nimmt der satirische Witz in der zweiten Hälfte etwas ab. Hier konzentriert sich Co-Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Diliberto auf die komplizierte Liebesgeschichte zwischen der engagierten Schönen und dem linkischen Moderator, wobei ihm selbst etwas an Ausstrahlung fehlt. Trotzdem erscheint sein flott erzähltes Debüt als mutiger Appell für Zivilcourage und Engagement gegen Schweigen und Ignoranz.

Die Mafia mordet nur im Sommer

In seinem Debütfilm beschäftigt sich der italienische TV-Moderator Pierfrancesco Diliberto alias Pif in komödiantischer, leicht autobiografischer Weise mit dem Einfluss des organisierten Verbrechens auf Politik und Bevölkerung seiner Heimatstadt Palermo.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen