Die letzten Männer von Aleppo (2017)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Ein Denkmal für die "White Helmets"

Dieser Film zeigt nichts Neues. Alles, was hier geschieht, weiß man schon, hat es über Jahre in den Nachrichten gesehen, aber immer wieder ausgeblendet: In Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, kämpfen seit 2012 Assad-Truppen gegen Rebellen. Luftangriffe, Fassbomben, Granaten gingen über der Stadt nieder. Eingestürzte Häuser gehören zum Alltag. Und der Tod.

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Gegen ihn kämpfen die Männer, die der syrische Filmemacher Firas Fayyad in seinem Dokumentarfilm Die letzten Männer von Aleppo begleitet. Sie fahren dorthin, wo die Bomben niedergehen. Durchsuchen die Trümmer nach Überlebenden, graben Verschüttete aus, bringen Verletzte ins Krankenhaus, sammeln Gliedmaßen und Leichenteile ein. Als White Helmets sind diese Freiwilligen seit 2013 in Syrien aktiv, im vergangenen Jahr wurden sie sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Fayyad und seine Kameramänner stellen die freiwilligen Helfer in Aleppo vor.

Da ist Khaled, der immer den Himmel im Blick hat. Der schon am Geräusch des Flugzeugs voraussagen kann, ob gleich ein Angriff stattfinden wird. Der sich in jeder ruhigen Minute jedoch die Frage stellt, ob er die Stadt nicht endlich verlassen sollte. Eigentlich will er nicht, wie er immer wieder betont, es sei immerhin seine Heimat. Aber die Sorge um die Sicherheit seiner Frau und beiden Töchter schleicht sich unweigerlich in seine Gedanken.

Da ist Mahmoud, der eigentlich Sport und später Philosophie studierte, sein Studium wegen des Krieges aber abbrechen musste. Er unterstützt die Helfer zusammen mit seinem jüngeren Bruder. Den Eltern haben beide erzählt, sie seien in die Türkei geflohen, damit diese sich keine Sorgen machen.

Da sind noch viele mehr. Fayyad versucht, ihren spärlichen Alltag zu beleuchten. Die Momente, in denen sie versuchen, mit den täglichen Grausamkeiten umzugehen. Wenn sie mit den Kindern des Viertels auf einen der letzten Spielplätze fahren. Doch auch hier schleicht sich der Krieg in den Alltag, denn noch bevor der Abend hereinbricht, donnern die nächsten Flugzeuge über die Stadt und die Männer eilen zur nächsten Bombenruine, zu den nächsten Verwundeten und Toten.

Genau hier liegt eines der größten Probleme dieses Films: Wie viel Grausamkeit zeigt man, wenn man vom Krieg berichtet? Weinende Kinder, weinende Mütter, tote Babys, abgerissene Gliedmaßen — Fayyad und seine Kameramänner scheuen nicht vor diesen Details zurück. Zeigen sie nicht im Close-up, sparen sie aber auch nicht aus. Sie sind so abstoßend wie ein Krieg nur sein kann. Man ist schockiert und kommt dennoch nicht umhin, sich ob all der expliziten Grausamkeit leicht manipuliert zu fühlen. Zu sehr ist dieser Krieg von unterschiedlichsten politischen Parteien genutzt worden, um ihre Interessen durchzusetzen. Wo hört da der dokumentarische Blick auf und wo fängt Propaganda an?

Regisseur Fayyad macht aus seiner politischen Position keinen Hehl. „Mit der syrischen Revolution gegen Assad und ISIS“, so beschreibt er sich selbst auf Twitter. Die letzten Männer von Aleppo ist nicht Fayyads erster Film, der den Kriegsalltag in Syrien beleuchtet. Er wirkte bereits am Dokumentarfilm Untold Silence über Proteste gegen Assad mit und hatte sich mit der Arbeit des Anführers der White Helmets, Raed Saleh, auseinandergesetzt. Für seinen ersten eigenen Dokumentarfilm arbeitete er mit Kameramännern des Aleppo Media Center zusammen, einer Gruppe junger Männer, die seit 2012 die Angriffe auf ihre Stadt mit Kameras dokumentieren und das Material online stellen. Sie waren es beispielsweise, die das Video des blutüberströmten Kindes im Krankenwagen aufgenommen hatten, das im August 2016 um die Welt ging. Und auch die Fotografen des Aleppo Media Center müssen sich immer wieder den Vorwürfen stellen, auf der Seite der Rebellen zu stehen und keine neutralen Beobachter zu sein. Doch wie neutral kann man bleiben, wenn der Krieg vor der eigenen Haustür stattfindet?

Fayyads Film will nicht neutral sein. Er konzentriert sich dementsprechend auf die Zivilisten, die am meisten unter dem Krieg des syrischen Präsidenten leiden. Und er setzt jenen ein filmisches Denkmal, die geblieben sind und ihr Leben riskieren, um das ihrer Mitmenschen zu retten.
 

Die letzten Männer von Aleppo (2017)

Dieser Film zeigt nichts Neues. Alles, was hier geschieht, weiß man schon, hat es über Jahre in den Nachrichten gesehen, aber immer wieder ausgeblendet: In Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, kämpfen seit 2012 Assad-Truppen gegen Rebellen. Luftangriffe, Fassbomben, Granaten gingen über der Stadt nieder. Eingestürzte Häuser gehören zum Alltag. Und der Tod.

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Meinungen

Ulrich Eggert · 16.03.2017

Diese Lobhudelei meint Ihr jetzt nicht wirklich ernst, oder? Jeder, der sich nur ein bißchen mit Vor-Ort-Berichterstattung aus Syrien und insbesondere aus Aleppo auseinandergesetzt hat, weiß, daß dieser Film ein übles Propagandamachwerk für eine Truppe von Halsabschneidern ist, durch Euren Text nochmal propagandistisch aufgepeppt.Kann es sein, daß ich die von mir bisher durchaus geschätzte kino-zeit nicht mehr ernst nehmen sollte?