Die Bücherdiebin

Eine Filmkritik von Gregor Torinus

Wenn ein Buch bereits ausreicht...

Welches bodenlose Niveau erreicht werden kann, wenn Hollywood sich mal wieder der Nazizeit annimmt, hat zuletzt Nespresso-Strahlemann George Clooney mit dem auf der Berlinale gezeigten Abenteuer-Klamauk The Monuments Men bewiesen. Würde auf diesem Festival eine Auszeichnung für schlechteste Leistungen – wie die Goldene Himbeere – vergeben, so wäre diese Geschichts-Verballhornung ein würdiger Kandidat gewesen. So bleibt nur die große Frage, ob man zum Anlocken von Promis auf einem der wichtigsten Filmfestivals der Welt tatsächlich jeden Schund zulassen darf.
Doch die Entscheidung, welcher der schlechteste in der NS-Zeit spielende Film des Jahres werden wird, ist noch keineswegs entschieden. Denn nun schickt die Traumfabrik mit Die Bücherdiebin gleich den nächsten außerordentlich vielversprechenden Kandidaten ins Rennen. Da man hierzulande auch da unbedingt ein Stück vom Ruhmes-Kuchen abbekommen wollte, entstand der Film zudem als deutsch-amerikanische Koproduktion in Babelsberg. Immerhin kann festgehalten werden, dass die Verfilmung von Markus Zusaks Weltbestseller The Book Thief der letzte Film war, der in der berühmten Berliner Straße der Babelsberger Filmstudios gedreht wurde…

Da während des Zweiten Weltkriegs Liesel Memingers (Sophie Nélisse) Familie zerbricht wird das neunjähriges Mädchen zu den Pflegeeltern Hans (Geoffrey Rush) und Rosa Hubermann (Emily Watson) geschickt. Hans kümmert sich sofort so liebevoll um das kleine Mädchen, als ob Liesel seine eigene Tochter wäre, während die permanent missmutige Rosa sich ihr gegenüber zunächst äußerst kaltherzig zeigt. Dabei sind beide in ihrem Herzen gute Menschen und verstecken deshalb auch den jüdischen Flüchtling Max (Ben Schnetzer) bei sich im Hause. Mit Hilfe von Hans und Max lernt Liesel zu Lesen. Als es in dem Ort zu einer öffentlichen Bücherverbrennung kommt, stiehlt sie heimlich ein noch lesbares Buch. Liesel entwickelt sich immer mehr zu einem richtigen Bücherwurm. Aus der harschen Realität flüchtet sie sich in die Welt der Worte und der Phantasie

Der Film beginnt mit einem Kameraflug über eine malerische Schneelandschaft in einen dort fahrenden Zug hinein. Dazu drischt die beruhigende und wohlklingende Stimme eines Märchenonkels märchenhafte Phrasen. Aus dem Gesagten geht hervor, dass es sich bei dem netten Erzähler dieser Geschichte um keinen Geringeren als Gevatter Tod höchstpersönlich handelt. Alle inneren Geschmacks-Sensoren läuten Sturmalarm. Wenigstens lässt sich Regisseur Brian Percival nicht vorwerfen, er würde den Zuschauer nicht frühestmöglich vorwarnen, dass gleich eine gewaltige und über zwei Stunden anhaltende Kitsch-Lawine über ihn hinweg rollen wird…

Trotzdem erwischt es einen äußerst kalt, was vermutlich nicht nur an den unchristlichen Temperaturen im Keller von Liesels Gastfamilie liegt. Dort muss sich Max verstecken, da jede Alternative auf die Dauer zu riskant wäre. So erblickt Max den Himmel und die Sonne bald nur noch vor seinem entzückten geistigen Auge, wenn ihm die durchs Lesen in ihrer poetischen Ader gestählte Liesel mit Worten die Welt beschreibt, die er nun nicht mehr selbst direkt beobachten darf. Max ist überglücklich und macht Liesel — obwohl er selbst nichts besitzt — ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk. Max übermalt ein Buch mit weißer Farbe, damit Liesel dort ihre eigenen Geschichten hineinschreiben kann. Dem besonders aufmerksamen Betrachter entgeht hierbei nicht der subtile Symbolismus, der sich darin zeigt, dass es sich bei besagtem Buch um Hitlers Mein Kampf handelt…

Die damalige Zeit war äußerst schlimm, aber auch die Zeit, die der Zuschauer mit diesem Film im Kino verbringt ist kein wirkliches Vergnügen. Dabei helfen allerdings die großartigen Schauspieler über so manche unsägliche Szene hinweg. Insbesondere Geoffrey Rush vermag als gutmütiger Pflegevater nicht nur Liesel, sondern auch den gleichfalls leidenden Zuschauer über so etliche Untiefen der Rührseligkeit hinwegtrösten. Immer wenn man sich bereits sicher wähnt, dass der Film im nächsten Augenblick endgültig im Morast des Kitsches versinken wird, gibt es doch wieder eine Szene die aufgrund der Darsteller tatsächlich zu berühren vermag.

Doch Regisseur Brian Percival weiß so sicher, wie der Kapitän der Titanic, wo er hin will und lässt nicht locker, bis er seine finale Destination unwiederbringlich erreicht hat. Es reicht ihm nicht, dass das Filmende in derart tränendrüsendrückene Gefilde vorstößt, dass nicht nur die Kompassnadel, sondern auch der Kritikerdaumen endgültig steil nach unten zeigt. Nein, jetzt bäumt er sich noch ein letztes Mal auf und lässt Kitschwoge um Kitschwoge über sein filmisches Schlachtschiff hingwedonnern, bis es mit einem letzten unsittlichen Schmatzen endgültig im sumpfigen Bodensatz der Filmgeschichte verschwindet.

Die Bücherdiebin

Welches bodenlose Niveau erreicht werden kann, wenn Hollywood sich mal wieder der Nazizeit annimmt, hat zuletzt Nespresso-Strahlemann George Clooney mit dem auf der Berlinale gezeigten Abenteuer-Klamauk „The Monuments Men“ bewiesen. Würde auf diesem Festival eine Auszeichnung für schlechteste Leistungen – wie die Goldene Himbeere – vergeben, so wäre diese Geschichts-Verballhornung ein würdiger Kandidat gewesen. So bleibt nur die große Frage, ob man zum Anlocken von Promis auf einem der wichtigsten Filmfestivals der Welt tatsächlich jeden Schund zulassen darf.
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Meinungen

Martin Zopick · 18.01.2024

Ein kleiner aber feiner Film, der den 2. Weltkrieg mit den Kinderaugen der neunjährigen Liesel sieht. Das Mädchen (Sophie Nélisse) kommt zu den Pflegeeltern Hans (Geoffrey Rush) und Rosa (Emily Watson). Beide stehen stellvertretend für die Mehrheit der Deutschen, so wie sie Markus Zusak in seinem Roman dargestellt hat. Hans ist ein menschlich überaus freundlicher Zeitgenosse, Marke harmloser Mitläufer. Er ist seinem Pflegekind herzlich zugetan. Bringt der kleinen Analphabetin sogar das Lesen bei. Ehefrau Rosa gib sich anfangs als strenge, linientreue Nationalsozialistin. Im Laufe der Handlung wird sie sich wandeln und bildet mit Hans und Liesel eine menschliche Wagenburg, die den Wirren und der Unbill des Krieges trotzt. Regisseur Percival achtet dabei genau auf die Steigerung der Gefahr, für Leib und Leben.
Die ideologische Engstirnigkeit wird wie in einem Katalog abgearbeitet: Parade zu Führers Geburtstag, Bücherverbrennung, die Pogromnacht etc.
Sie verstecken Max (Ben Schnetzer), einen Juden, im Keller, wodurch sie ihr Leben in Gefahr bringen. Liesels Klassenkameraden sind ebenso verschieden gepolt wie die übrigen Nachbarn. Rudi (Nico Liersch) ist altersgemäß ein bisschen verliebt in die Neue, taucht so gar im Winter in voller Montur nach einem Buch, das er dem Jungnazi Franz (Levin Liam) abgerungen hatte. Bürgermeister Herman (Rainer Bock) ist von Amtswegen strammer Nazi, seine Ehefrau Ilsa (Barbara Auer) aber nicht. Sie gewährt Liesel Zutritt zu ihrer Bibliothek, gibt ihr Bücher zu Lesen.
Bomben, Luftschutzkeller, Hausdurchsuchungen und Verhaftungen verdeutlichen den Abgrund der Gefahr, an dem sich die Bewohner entlanghangeln. Aber es gibt auch Schneemann mit Schneeballschlacht im Keller zwischen Liesel, Rudi und Max.
Dann schlägt der Krieg mit seiner tödlichen Keule zu. Nicht alle werden ihn überleben.
Zum Abschied kommt Ben Beckers Stimme hier mal ganz sanft philosophisch zum Tragen.
Der Film kommt nicht übermäßig spektakulär daher. Er oszilliert wohldosiert zwischen Kadavergehorsam und Gerechtigkeitsdrang aus Kinderaugen und trifft dabei mitten ins Zuschauerherz, wenn er einen Diener vor den kleinen Heldinnen und Helden des NS Alltags macht.

Clara · 27.07.2023

Was bitte soll an dem Buch schlecht sein?!

Emilia · 13.04.2014

WTF WTF WTF?!?!?! Manche hier sind der Meinung das Buch war schrott?!?! Das Buch ist der HAMMER!!! Und im Film sind halt viele Sachen anders aber der Film ist trotzdem gut!!! Er ist schrecklich traurig aber auch schön!!!

Clara · 27.07.2023

Ja, sehe ich auch so. Was soll an dem Buch Schrott sein?!

casandra · 13.03.2014

stellenweise langweilig ,nicht sehr anspruchsvoll für die die die geschichte kennen

Barbara Grokenberger · 13.03.2014

vielen Danke für diese zutreffende Rezension, die mich nun wieder an klar denkende Cineasten und Kritiker glauben lässt, nachdem ich erleben musste, dass anerkannte Filmkenner diesen klaren Blick vermissen ließen...

martin zeiher · 07.03.2014

... das Buch ist schon Schrott, was kann man da von der Verfilmung erwarten ?!