Die Böhms - Architektur einer Familie

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Fragile Statik einer Baumeister-Dynastie

Gottfried Böhm ist der wohl bekannteste deutsche Architekt – und zugleich der einzige, der je den renommierten Pritzker Prize, die höchste internationale Auszeichnung für Architektur bekam. 1986 war das, damals war Böhm bereits 66 Jahre alt. Heute arbeitet der mittlerweile 95-jährige immer noch, tagtäglich sitzt er im Büro seines Hauses in Köln und ist unermüdlich dabei, seine Visionen mit großer Kunstfertigkeit zu Papier zu bringen. Maurizius Staerkle-Drux stellt den begnadeten Baumeister zwar als Patriarchen eines Architektengeschlechts in den Mittelpunkt seines teilweise berührenden Dokumentarfilms, doch es geht ihm dabei weniger darum, eine Künstlerpersönlichkeit ersten Ranges zu würdigen (was zwar auch geschieht), sondern vielmehr die komplexen Strukturen einer Familie nachzuzeichnen, deren Leben und Schaffen von der Architektur bestimmt wird. Denn auch Gottfrieds Söhne Stephan, Paul und Peter Böhm sind in die Fußstapfen des Vaters getreten und haben versucht, auf diesem Weg dem übergroßen Schatten des Vaters auch nur annähernd nahe zu kommen.
So schroff und manchmal beinahe abweisend die vor allem sakralen Gebäude von Gottfried Böhm auf den Betrachter wirken mögen, so weich und zart wirkt Maurizius Staerkle-Drux‘ Beobachtung, für die er sich zwei Jahre Zeit nahm. Dieser Eindruck liegt vor allem an dem Verhältnis und dem Umgang von Gottfried und Elisabeth Böhm miteinander, das der ersten Hälfte des Film seine Tonalität gibt. Man bekommt als Zuschauer einen guten Eindruck davon, wie die Partnerschaft zwischen dem Architekten und seiner Frau beschaffen war, auch wenn Elisabeth schon sichtlich vom Alter gezeichnet ist. Die Zärtlichkeit aber, die die beiden miteinander verbindet, kommt in kleinen Gesten, die die Kamera sensibel einfängt, gut zum Ausdruck. Und als man dann später in einem der eingestreuten Interviews mit einem der Söhne erfährt, dass diese Frau selbst eine begnadete Architektin war, die ihren Beruf für ihren Mann und die Familie aufgab, dann schlummert darin eine Tragik, über die man gerne mehr erfahren hätte. Als Elisabeth Böhm dann während der Dreharbeiten verstirbt, ist es beinahe so, als verlöre damit der Film seine zuvor sorgsam aufgebaute Statik, als verliere das Konstrukt damit eine tragende Säule.

Zwar gibt es auch später noch berührende und manchmal sogar regelrecht komische Momente – wenn etwa Gottfried Böhm gegen seinen ebenfalls betagten Bruder im Tischtennis antritt und einen erstaunlichen Ballwechsel mit einem saftigen Schmetterschlag beendet –, insgesamt aber bleibt zu vieles im Unklaren: Das Konkurrenzverhältnis der drei Söhne Gottfrieds etwa wird lediglich am Rande gestreift. Und auch die Verwerfungen durch die Wirtschaftskrise, die vor allem die Baubranche hart getroffen hat, werden nur gestreift, was gleichermaßen für das Erbe gilt, das die nachfolgenden Generationen dieser Architektenfamilie gilt: Sehen auch sie es als eine Verpflichtung an, den Fußstapfen ihrer Väter und Großväter zu folgen oder können sie sich freimachen von den Erwartungen, die an sie gestellt werden?

Nicht zuletzt fehlt es zudem an einer gesellschaftlichen und kritischen Perspektive, an einem Einblick in das Denken und die Inspirationsquellen einer Familie, deren Entwürfe und Visionen für Kirchen und Städte sicherlich einiges beizutragen hätte zu einem Diskurs über den Wandel dieser beiden Institutionen. Dieser Mangel eines kritisch-distanzierten Blicks ist möglicherweise der großen Nähe des Filmemachers zum Gegenstand seiner Beobachtung geschuldet, denn wie Maurizius Staerkle-Drux im Presseheft zu seinem Film erwähnt, verbindet seine Verwandtschaft eine enge Freundschaft mit den Böhms. Dies mag zwar den Zugang und die beinahe intime Nähe zu dieser außergewöhnlichen Familie gewährleistet haben, andererseits sorgt sie teilweise aber auch dafür, dass der Filmemacher vieles als gesetzt ansieht, das sich dem normalen Zuschauer nicht so einfach erschließt.

Die im Titel versprochene Architektur erweist sich demnach eher als zarte Skizze, die vieles andeutet, manches nur flüchtig streift und die allenfalls erahnen lässt, was dieses Gebäude dieser Architektenfamilie tatsächlich im Innersten zusammenhält.

Die Böhms - Architektur einer Familie

Gottfried Böhm ist der wohl bekannteste deutsche Architekt – und zugleich der einzige, der je den renommierten Pritzker Prize, die höchste internationale Auszeichnung für Architektur bekam. 1986 war das, damals war Böhm bereits 66 Jahre alt. Heute arbeitet der mittlerweile 95-jährige immer noch, tagtäglich sitzt er im Büro seines Hauses in Köln und ist unermüdlich dabei, seine Visionen mit großer Kunstfertigkeit zu Papier zu bringen.
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