Dichter und Kämpfer

Eine Filmkritik von Lida Bach

Verse fürs Volk

„Toll, dass so viele da waren! Dass die Stimmung so toll war, dass der Saal voll ist.“ Jetzt ist der Saal leer. Nur ein paar Techniker verrichten ihre Arbeit auf den Rängen. Und da stehen drei komische Typen und ein Mädchen, die auf den ersten Blick scheinen, als wären sie selbst Techniker oder aus dem Publikum übriggeblieben. „Jetzt können wir mal sehen, wer den wenigsten Schlaf hatte“, sagt Julius, als zu Filmbeginn gerade eines der Ereignisse vorüber ist, um das sich die Kamera und das Leben der Figuren dreht. In dem leeren Zuschauerraum, wo Dichter und Kämpfer sie in der Eröffnungsszene zeigt, sind die junge Frau und ihre drei Kollegen nicht für die Technik verantwortlich, sondern für die Kunst.
Nein, den wenigsten Schlaf hatte nicht der Filmjunkie, der auf der Berlinale dem authentischen Szeneeinblick in der Perspektive Deutsches Kino Auge und Ohr leiht. Theresa Hahl hatte noch weniger: „Null Stunden.“ Andauernd habe sie Angst, erzählt sie später in die Kamera, dass sie ertappt werde. „Und irgendjemand rausfindet, die kann ja gar nichts. Außer Gedichte schreiben.“ Das Schreiben von Gedichten und ihr Vortrag ist das Leben der Dichter und Kämpfer, die Marion Hütters lebendiger Film auf dem begleitet, was auf dem besten Weg von der Underground-Bewegung zum Massenereignis ist: „Poetry-Slam“. Ein Poesie-Wettbewerb, als der Presseflyer die Passion der vier jungen Protagonisten erklärt, klingt nach Grundschulfeier und Lehrerkontrolle, doch was Scharri, Julius, Theresa und Sebastian23 und andere Poetry-Slammer auf der Bühne darbieten, ist das Gegenteil davon.

Die Protagonisten sind Rebellen des Reimens und Philosophen der Poesie, die öffentlich und vor Publikum gegeneinander antreten. Den Wettbewerbsgedanken nehme er nicht so ernst, sagt Sebastian23. Aber wenn dem Sieger am Ende der deutschen Meisterschaft im Poetry-Slam die aus Büchern und einem Mikrophon, überzogen mit Goldspray, gebastelte Trophäe überreicht wurde, wird doch der Preisverleiher im Überschwang geküsst, einander kollektiv umarmt und im Kreis gehüpft. Was den Titelhelden von Dichter und Kämpfer die unbefangene Sympathie verleiht, die der größte Vorzug des lebhaften Porträts einer aufsteigenden Kunstrichtung ist, sind nicht nur ihre zwischen Ironie, Satire und Philosophischem wechselnden Verse, sondern ihre Unverfälschtheit.

„Ich habe eigentlich nicht so viele Wünsche“, erzählt Julius, wenn er zwischen Tour, Textverfassen und Terminplanung einen Döner verputzt: „Irgendwann mal essen, ohne zu kleckern. Aber ich habe noch keinen Masterplan.“ Mit letzterem bezieht sich der aufstrebende Duell-Dichter nicht auf das Essen (obwohl Hütters humorvolles Doku-Gruppenporträt auch beweist, dass der größte Dichter machtlos gegen Döner-Soße ist), sondern auf sein Leben. Von der besonderen Begabung der Protagonisten überzeugen die mitreißenden Vorführungen selbst Zweifler. Was nicht als Kunst funktioniert, liefert satirische Unterhaltung, die weit pointierter ist als das übliche Fernsehniveau. Von ihrem Metier existieren können jedoch nur die wenigsten Poetry-Slammer. Doch nicht Reichtum und Ruhm zählen beim Dichterwettstreit.

Worauf es ankommt sind die Atmosphäre im Saal, die Reaktionen des Publikums und der Kontakt zu Gleichgesinnten: „Wir waren die einzigen beiden, die bei der Uni-Vorlesung über den Namen Ludwig von Ficker gelacht haben“, erinnert Julius das Kennenlernen seines Bühnenpartners und Freundes. „Weil die das wirklich so todernst vorgetragen haben.“ Wie man es besser macht, dokumentiert das gewitzte Ensemble mit seinen fantasievollen Versen.

Dichter und Kämpfer

„Toll, dass so viele da waren! Dass die Stimmung so toll war, dass der Saal voll ist.“ Jetzt ist der Saal leer. Nur ein paar Techniker verrichten ihre Arbeit auf den Rängen. Und da stehen drei komische Typen und ein Mädchen, die auf den ersten Blick scheinen, als wären sie selbst Techniker oder aus dem Publikum übriggeblieben. „Jetzt können wir mal sehen, wer den wenigsten Schlaf hatte“, sagt Julius, als zu Filmbeginn gerade eines der Ereignisse vorüber ist, um das sich die Kamera und das Leben der Figuren dreht.
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Meinungen

Grüne · 10.03.2012

ICH LIEBE DIESEN FILM SCHON JETZT!! BITTEBITTEBITTE: Lasst mich nicht bis September warten!
Danke.

Sebastian 23 · 10.03.2012

Liebe Lida,

ich nehme die Entschuldigung natürlich an, wenngleich sie flapsig erfolgt.

Jedem kann mal ein Buchstabendreher oder ein Tippfehler passieren. Wenn jedoch aus Julius plötzlich ein paar Zeilen später Julian wird, dann höre ich als Leser langsam auf, den Inhalt der Kritik ernstzunehmen.

Beste Grüße,

Sebastian

welbur · 09.03.2012

Als Kinostart ist zur Zeit Ende Mai ins Auge gefasst:
xxx.mfa-film.de/kinofilme/
Laut Auskunft des Verleihs, wird über den endgültigen Starttermin innerhalb der nächsten ca. 3 Wochen entschieden, aber bis September müssen wir wohl nicht warten. :-)

Lida Bach · 08.03.2012

Hey Sebastian23,

das war nicht als Missachtung oder Verhöhnung gemeint, sondern dem extremen Berlinale-Stress und der damit einhergehenden Übernächtigung geschuldet. Da kommen Buchstabendreher und Tippfehler schon mal vor. Daher: Sorry!

@Sebastina23 · 07.03.2012

Tut mir leid, jetzt ist es raus und alle Welt weiß Bescheid ;-) Danke für den Hinweis. Grüsse, Mike

Sebastian 23 · 07.03.2012

Liebe Kino-Zeit,

ich hatte euch die Sache mit meinem Gender-Wechsel nur im Vertrauen erzählt...

Jetzt muss ich hier an mehreren Stellen im Artikel meinen neuen, noch geheimen Namen "Sebastina 23" lesen.

Nun ja, es hat ja auch seine schönen Seiten - derselbe Fehler, auf den Namen der Kritikerin angewandt, ergibt Aldi.

Liebe Grüße,

Sebastina 23