Deutscher Kurzfilmpreis unterwegs - Einerseits: ungestüm

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gewinner und Nominierte "on the road"

Der Kurzfilm gilt in Deutschland häufig als Domäne der Filmhochschulen und lediglich als Vorstufe zu kommenden Werken, die dann im Langformat angesiedelt sind. Dennoch: Gerade auf Festivals erfreuen sich die kurzen Filme großer Beliebtheit. Und immer neue Wettbewerbe wie „Zum Goldenen Hirsch“ und ähnliche Formate sowie diverse Online-Festivals für Kurzes zeigen, dass gerade beim jungen Zielpublikum, dessen Fernbleiben in den Kinos häufig beklagt wird, durchaus Lust auf außergewöhnliche Filme und Experimentelles besteht.
Lust auf Kurzes und Aufmerksamkeit für die äußerst lebendige Kurzfilmszene machen will auch die in Dresden ansässige AG Kurzfilm – Bundesverband Deutscher Kurzfilm, die sich seit dem Jahr 2002 um die Belange deutscher Kurzfilmer kümmert. Dazu zählt unter anderem die Tournee „Deutscher Kurzfilmpreis unterwegs“, bei der verschiedene Programme mit Preisträgerfilmen und nominierten Werken quer durch Deutschland geschickt werden, um einen Eindruck von der Vielfalt und Experimentierlust der zumeist jungen Filmemacher zu geben.

Das neue Tourneeprogramm, dessen erster Teil mit dem Titel Einerseits: ungestüm auf dem 31. Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken vorgestellt wurde, umfasst fünf Filme höchst unterschiedlicher Couleur und Machart, von der experimentellen Slam-Poetry-Bearbeitung über Dokumentarisches bis hin zu sorgfältig inszenierten Spielfilmen kürzerer Laufzeit.

Den Auftakt des Programms bildet der 13-minütige Dokumentarfilm Wagah von Supriyo Sen, der den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold in der Kategorie „Dokumentarfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten“ erhielt. Am einzigen Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan spielen sich Abend für Abend Szenen ab, die verdeutlichen wie tief die Gräben zwischen den beiden Ländern sind. Wenn die Grenztore geschlossen werden, erfolgt hüben wie drüben eine Militärparade, die einzig und allein der Einschüchterung des Nachbarn dient und die von den Menschen bejubelt wird. Doch es gibt auch jene, die Angehörige auf der anderen Seite haben.

Mia Graus 30-minütiger Spielfilm Wüste/Außen/Tag, der in der Kategorie „Spielfilme mit einer Laufzeit von mehr als sieben bis 30 Minuten“ für den Deutschen Kurzfilmpreis nominiert war, setzt den Spannungsbogen fort und erzählt die Geschichte einer Schauspielerin und eines Schauspielers, die sich während Dreharbeiten zu einem Film kennenlernen und die gemeinsam einen drehfreien Tag verbringen. Doch aus dem Beisammensein entwickelt sich keine Liebesgeschichte, sondern ein Kampf um Distanz und Nähe, um Wahrnehmungen, Realitäten und Fiktionen – das Schauspiel des Lebens eben.

Anschließend folgt Till Kleinerts mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold in der Kategorie „Spielfilme mit einer Laufzeit bis sieben Minuten“ ausgezeichnetes Werk Kokon, das die Geschichte einer pubertären Metamorphose in schlichten, aber enorm einprägsamen Bildern ohne einen einzigen Dialogsatz erzählt. Zunächst glauben wir in dem Wesen mit den langen Haaren ein Mädchen zu erkennen, doch ein Haarschnitt bringt es an den Tag, dass es sich hierbei um einen Jungen handelt. Ambivalenz und Lebensüberdruss, aber auch die Suche nach der eigenen Identität und die Verwandlungen, die Jugendliche im Lauf ihres Heranwachsens durchmachen müssen – all dies steckt in diesem Film, der in sieben Minuten mehr erzählt an mancher ungleich längere Film.

Ebenfallls von den Schmerzen des Heranwachsens erzählt der 29-minütige Spielfilm Polar von Michael Koch, der den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold in der Kategorie „Spielfilme mit einer Laufzeit von mehr als sieben bis 30 Minuten“ erhielt. In reduzierten Bildern und mit sparsamen Dialogen erzählt der Film von Luis, der nach Jahren der Entfremdung zu seinem Vater in die Berge fährt. Was der Junge nicht weiß: Dort erwarten ihn nicht nur sein Vater, sondern auch dessen neue Frau und der Halbbruder. Die mühsam verdrängten Konflikte drängen mit Macht ans Tageslicht und bahnen sich schließlich ihren Weg…

Den Abschluss des Programms bildet der animierte experimentelle und verdammt witzige Kurzfilm Der Conny ihr Pony von Robert Pohle und Martin Hentze, die damit eine Nominierung in der Kategorie „Animations-/Experimentalfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten“ erhielten. In diesem Film erzählt der aus Schaffhausen stammende Slam Poet und „Salzburger Stier“-Preisträger Gabriel Vetter von der elfjährigen Conny und deren Schwierigkeiten, ihr Pony mit Hilfe des ÖPNV an seinen Bestimmungsort zu bringen. Doch auch alternative Haustiere bergen so ihre Gefahren und bedrohen sogar die Existenz der Eidgenossenschaft…

Das zweite Kurzfilmprogramm des Deutschen Kurzfilmpreises unterwegs mit dem Titel Andererseits: betörend wird während der Berlinale offiziell präsentiert und geht anschließend auf große Deutschlandtournee. Wer also auf den Geschmack gekommen sein sollte, kann sich schon jetzt auf die Fortsetzung freuen.

Deutscher Kurzfilmpreis unterwegs - Einerseits: ungestüm

Der Kurzfilm gilt in Deutschland häufig als Domäne der Filmhochschulen und lediglich als Vorstufe zu kommenden Werken, die dann im Langformat angesiedelt sind. Dennoch: Gerade auf Festivals erfreuen sich die kurzen Filme großer Beliebtheit. Und immer neue Wettbewerbe wie „Zum Goldenen Hirsch“ und ähnliche Formate sowie diverse Online-Festivals für Kurzes zeigen, dass gerade beim jungen Zielpublikum, dessen Fernbleiben in den Kinos häufig beklagt wird, durchaus Lust auf außergewöhnliche Filme und Experimentelles besteht.
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