Der Weg nach Mekka – Die Reise des Muhammad Asad

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein unglaublich abenteuerliches Leben

Wussten Sie, dass die wichtigste Koran-Übersetzung vom Spross einer Rabbiner-Familie stammt? Und dass einer der bedeutendsten Islam-Geistlichen ein Österreicher war? Wenn nicht, dann sind Sie mit Sicherheit nicht allein. Aber mittendrin im Thema einer hochspannenden Dokumentation.
Leopold Weiss, der sich später Muhammad Asad nannte, ist heute vor allem in Europa fast vergessen. Das ist eigentlich völlig unverständlich. Denn das Denken und die Bücher des 1992 Gestorbenen könnten auf einzigartige Weise Brücken bauen zwischen dem Islam und dem Westen. Daher ist es ein großes Verdienst des Dokumentarfilmers Georg Misch (Calling Hedy Lamarr), diesen freiheitlichen Geist und begeisternden Abenteurer auf der Leinwand lebendig werden zu lassen.

Eine Biografie wie ein Roman: 1900 in Lemberg geboren und in Wien im jüdischen Glauben aufgewachsen, reist Weiss 1922 erstmals nach Palästina. Eigentlich will er dort nur einen Onkel besuchen, doch die Begegnung mit der arabischen Welt krempelt das Leben des angehenden Journalisten komplett um. Er verliebt sich in die Lebensart der Beduinen, er ist fasziniert von der Wüste und vom Koran. In der neuen Religion findet er „Selbsthingabe“ und „die Kunst zu leben“. Er konvertiert vom Judentum zum Islam und reitet auf einem Kamel den weiten Weg nach Mekka. Doch das ist längst nicht die letzte Station eines unglaublich neugierigen, weltoffenen und mutigen Lebens.

Regisseur Georg Misch geht es nicht um historisierende Details. Ihm geht es um das, was heute noch aktuell ist an dem Leben und den Lehren von Muhammad Asad. Dabei kommt Der Weg nach Mekka – Die Reise des Muhammad Asad ganz ohne vordergründige Aktualisierungen aus. Der uns alle bedrückende Konflikt zwischen dem Islam und der westlichen Welt spricht zur Genüge für sich. Der Regisseur muss da gar nichts hinzufügen. Er tut es klugerweise auch nicht: Jeder Zuschauer ist frei, sich sein eigenes Urteil zu bilden.

Georg Misch hat sich für eine einfache, aber höchst effektive Darstellungsweise entschieden. Er reist mit seinem Team zu den Stationen von Asads Leben, beginnend in Lemberg über Wien, Saudi-Arabien, Pakistan, New York zurück nach Marokko und schließlich Andalusien. Dort trifft er Weggefährten, Zeitzeugen, Anhänger und Gegner von Asads Lehre, hochrangige Experten ebenso wie einfache Leute von der Straße. Die einzelnen Stationen verbindet er durch Einblicke in Fotoalben und ergänzt sie durch historisches Filmmaterial.

In einer der berührendsten Szenen beobachtet die Kamera einen Beduinen, der ein Kamel belädt. Das Tier faucht und zeigt die Zähne, protestiert gegen die Last. Dann steigt der Mann auf, das Kamel erhebt sich widerwillig, macht eine überraschende Bewegung nach vorn – und der Beduine purzelt zu Boden. „Wir haben verlernt, wie man ein Kamel reitet“, sagt er verlegen. Das wusste der traurige Mann bis zu diesem Zeitpunkt wohl selbst nicht. Aber per Zufall konnte der Regisseur genau diesen Augenblick miterleben, obwohl er mit einer völlig anderen Absicht an die Szene herangegangen war. Kompakter kann man die Geschichte vom Niedergang eines einst stolzen Nomadenvolkes nicht in Bilder fassen.

Georg Misch scheint ein Glückpilz zu sein. Fast an allen Stationen trifft er auf ähnliche Begebenheiten. Überall begegnen ihm überraschende Situationen, die Schlaglichter werfen auf den Zustand unserer Welt: auf die Irrwege, die wir gehen, auf die verpassten Einsichten, denen wir uns verweigern, auf die Sturheit, mit der wir an unserem Unglück festhalten.

Dabei ist es doch so: Die Blindheit und die Vorurteile, mit denen wir dem Islam begegnen, beruhen fast ausschließlich auf Unkenntnis. Wer macht sich schon die Mühe, sich näher mit dem Islam zu befassen? Wer interessiert sich für unterschiedliche Interpretationen und Meinungen? Dem lässt sich leicht abhelfen. Es muss ja gar nicht die Reise nach Mekka sein. Der Weg zur nächsten Kinoleinwand genügt völlig.

Der Weg nach Mekka – Die Reise des Muhammad Asad

Wussten Sie, dass die wichtigste Koran-Übersetzung vom Spross einer Rabbiner-Familie stammt? Und dass einer der bedeutendsten Islam-Geistlichen ein Österreicher war? Wenn nicht, dann sind Sie mit Sicherheit nicht allein.
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Meinungen

· 27.11.2008

Interessant & Sehr gut