Der Uhrmacher von St.Paul

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Donnerstag, 19. Juli 2007, ARTE, 20:40 Uhr

Der Uhrmacher Michel Descombes (Philip Noiret) ist vor den Kopf gestoßen, als eines Morgens zwei Kommissare bei ihm auftauchen und sich nach dem Verbleib seines Wagens erkundigen. Dieser ist verschwunden, doch das ist nichts Außergewöhnliches, denn Michels Sohn Bernard (Sylvain Rougerie) benutzt den Wagen häufig. Seitdem Bernards Mutter zunächst die Familie verlassen hatte und danach gestorben war, leben Vater und Sohn einträchtig miteinander, und es gibt keinen Grund, warum der Uhrmacher seinem Filius misstrauen sollte. Die Polizei sieht das aber anders – Michel erfährt von Kommissar Guilboud (Jean Rochefort), dass sein Sohn einen Mann umgebracht haben soll, nun befinde er sich mit seiner Freundin Liliane Torrini (Christine Pascal) auf der Flucht. Anscheinend ist der Ermordete ein Angehöriger des Werksschutzes in der Fabrik, in der Liliane arbeitete und hatte die Fabrikarbeiterin beim Diebstahl erwischt und erpresst. Descombes, der seinen Sohn zu kennen glaubte, der aber nichts von der Existenz Lilianes wusste, ist schockiert und muss sich fragen, welche Fehler er gemacht haben könnte. Bald schon stellen sich auch Journalisten ein und dringen auf den Uhrmacher ein, doch der „Vater eines Mörders“, wie die Presse ihn nennt, weiß selbst keine Antworten auf die drängenden Fragen. Verzweifelt macht sich der Uhrmacher auf Spurensuche, um seinen Sohn besser zu verstehen, doch immer wieder stößt er auf Geheimnisse, die Bernard vor ihm verbarg. Als sein Sohn und dessen schwangere Freundin schließlich geschnappt werden, will dieser seinen Vater nicht einmal mehr sehen…

Trotz der literarischen Vorlage auf dem ersten Roman aus der Feder George Simenons, der im Original Der Uhrmacher von Everton hieß, ist dieser Film von Bertrand Tavernier weniger ein Kriminalfilm zu nennen. Denn niemals kommt auch nur die Spur eines Zweifels an der Verantwortung Bernards an der schrecklichen Tat auf. Im Mittelpunkt steht vielmehr das namenlose Grauen, das den Uhrmacher erfasst, seine Gefühle, die Bodenlosigkeit der Erkenntnis, dass sein Sohn, den er niemals wirklich gut kannte, zu solch einer Tat fähig ist. Eine leise, aber nicht minder eindrucksvolle Umsetzung eines Vater-Sohn-Konflikts, begleitet von einer behutsamen Kritik an den politischen Verhältnissen in Frankreich.

Der Uhrmacher von St. Paul / L’Horloger de Saint-Paul erhielt auf der Berlinale 1974 einen Silbernen Bären.
 

Der Uhrmacher von St.Paul

Der Uhrmacher Michel Descombes (Philip Noiret) ist vor den Kopf gestoßen, als eines Morgens zwei Kommissare bei ihm auftauchen und sich nach dem Verbleib seines Wagens erkundigen.

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